Was zeigen Bild gebende Verfahren?

Die Wissenschaft der Seele

Seit ihrer Entstehung hat die Psychoanalyse mit dem Vorwurf zu kämpfen, keine eigentliche "Wissenschaft" zu sein. Seit einigen Jahren tritt sie verstärkt in einen Dialog mit ihren empirischen Nachbardisziplinen, den Kognitions- und Neurowissenschaften.

Seit einigen Jahren tritt die Psychoanalyse verstärkt in einen Dialog mit ihren empirischen Nachbardisziplinen, den Kognitions- und Neurowissenschaften. Den erkenntnistheoretischen Rahmen dazu bilden zwei aus Österreich stammende und in die Emigration getriebene Traditionen: einerseits die Psychoanalyse selbst - und andererseits die analytische Philosophie des Geistes.

Die neue Biologie des Geistes

Die modernen Neurowissenschaften bieten mit ihren Bild gebenden Verfahren die Möglichkeit, psychische Prozesse im Gehirn zu untersuchen. Ihr Interesse hat sich in den vergangenen Jahren vom rein Kognitiven hin zum Emotionalen erweitert - auch daraus eröffnen sich Möglichkeiten eines Dialogs mit der Psychoanalyse.

Ein Teil dieser interdisziplinären Forschung konzentriert sich auf die Psychoanalyse als Therapieform. Diese Ergebnisforschung, die sich mit Resultaten oder Erfolgen einer Psychoanalytischen Therapie beschäftigt, ist eines der Gebiete, auf denen sich ein besonders reges Wechselspiel auch mit den Hirnwissenschaften, mit der Neurobiologie entwickeln könnte, betont der Molekularbiologe Eric Kandel, der für seine wegweisenden Erkenntnisse darüber, wie Lernen und Gedächtnis funktionieren, 2000 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie erhalten hat.

Nachdem die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts von einer Biologie der Gene geprägt war, postuliert Eric Kandel nun für das 21. Jahrhundert eine neue Biologie des Geistes.

"Es gibt jetzt Bild gebende Verfahren um zu messen, was im Gehirn passiert. Man beginnt, Bilder davon zu bekommen, was infolge einer Psychotherapie passiert. Insoweit Psychotherapie funktioniert, tut sie das vermutlich, indem sie eine Umgebung schafft, in der Menschen sich verändern können. Soweit diese Möglichkeit zur Verhaltensänderung auf Lernen und Erinnern beruht, sollte die therapeutische Erfahrung eine Spur im Gehirn hinterlassen, Änderungen in den Nervenzellen, die wir mit Bild gebenden Verfahren messen können sollten. Ich glaube, wir müssten das systematisch machen, wir sollten schauen, welche Psychotherapien besonders gut bei welchen Patienten funktionieren - also ich denke, das wird das Goldene Zeitalter der Psychotherapie. Eine neue Zeit, in der wir diese Ideen erstmals genau testen können", sagt Kandel.

Was können Bild gebende Verfahren zeigen?

Das, was die viel zitierten Bild gebenden Verfahren der Hirnwissenschaft zeigen, ist die Aktivität von Nervenzellen. Neurobiologen untersuchen, wie Reize von einer Zelle zu einer anderen weitergeleitet werden, welche Verbindungen zwischen den Nervenzellen wie und unter welchen Bedingungen hergestellt oder aufgelöst werden, welche Zellen beziehungsweise welche teile des Gehirns unter welchen Bedingungen, bei welchen mentalen Prozessen eine Rolle spielen.

Diese Herangehensweise gilt vielen als zu eng, als zu sehr auf die Zellbiologie reduziert. Wie sehr sich dieser Reduktionismus als Methode eignet, zeigt Eric Kandel am Beispiel einer so komplexen Idee wie der des Über-Ichs.

"Das Über-Ich ist wichtig bei moralischen Konflikten - wie könnten wir das untersuchen? Wir müssten einen Test entwickeln, der Menschen dazu bringt, einen moralischen Konflikt auszutragen. Was wäre ein gutes Beispiel? Vielleicht treu zu sein versus promiskuitiv zu sein. Oder friedlich zu sein oder in den Krieg zu ziehen. Wir müssten nun einen einfachen Test entwickeln, in dem eine Person über die eine oder die andere Situation nachdenkt. Und wir würden untersuchen, welche Region im Gehirn unter diesen Umständen aufleuchtet. Mit mehreren solchen Untersuchungen werden wir erkennen, was aktiviert wird, wenn es um moralische Entscheidungen geht. Vielleicht finden wir so auch ein System von Nervenzellen - das wird nicht nur eine bestimmte Stelle im Gehirn sein - das dafür herangezogen wird", sagt Kandel.

Laut der Philosophin und Psychoanalytikerin Patrizia Giampieri-Deutsch von der Universität Wien sollten Bild gebende Verfahren und Biologie aber nicht dazu verwendet werden um Freuds Ideen zu testen: "Freud hat eine Bandbreite geistiger Aktivitäten beschrieben, die wie erklären müssen. Ich denke, die neue Biologie des Geistes muss diese Phänomene untersuchen. Wenn sich herausstellt, Freud hatte recht - fein! Wenn nicht - na und?! Er hat diese ganze Welt eröffnet!"