"Manchmal ist Schweigen Verrat"

George W. Bush und der Jazz

Wie reflektieren improvisierende Musiker die Politik von George W. Bush? Auch Jazz-Musiker haben ihre musikalische Stimme gegen den US-Präsidenten erhoben. Über die gesellschaftspolitische Sensibilität des Jazz nach rund 100-jähriger Geschichte.

George W. Bush und der Jazz - auf den ersten Blick scheint die Themenstellung eine unergiebige. Nicht zu Unrecht: Denn im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Bill Clinton, einem ausgewiesenen Jazzfan, der bekanntlich auch gerne zum Tenorsaxofon griff, ist George W. Bush nicht eben als Freund der Klänge bekannt.

Sein Interesse an Popmusik ist begrenzt (als sein Lieblingssong gilt der Teenie-Schlager "Wake up, little Suzie" von den Everly Brothers), mit Jazzmusikern dürfte er nur Kontakt haben, wenn diese - wie kürzlich Paquito D’Rivera - im Weißen Hauses geehrt werden und dann für ein gemeinsames Foto mit dem Präsidenten-Ehepaar posieren.

"Jazz for America's Future"

Wenn man sich der Begriffspaarung freilich unter dem Blickwinkel der Frage nähert, wie improvisierende Musiker die umstrittene Politik Bushs in ihrer Arbeit reflektieren, dann erscheint dieses ungleich spannender. Ja, da waren nicht nur Bruce Springsteen, R.E.M., Tom Waits oder David Byrne, die sich im letzten Wahlkampf für John F. Kerry ins Zeug legten, auch Jazzer wie Joshua Redman, Charlie Hunter, Dee Dee Bridgewater, Brad Mehldau oder Michael Brecker brachen im Sommer 2004 unter dem Signet "Jazz for America's Future" in Konzerten eine Lanze für den demokratischen Kandidaten.

Und nicht nur Green Day ("American Idiot"), Neil Young ("Living With War") oder Burt Bacharach ("At This Time") gossen ihre Kritik an Bushs Politik in der Folge der World-Trade-Center-Anschläge auch in Konzeptalben-Form: Jazzbassisten-Legende Charlie Haden reaktivierte einmal mehr sein Liberation Music Orchestra und erklärte gleich im Titel: "Not in Our Name".

Vergleiche mit Vietnam-Krieg

Dave Douglas zieht in seinem Text zur CD "Strange Liberation" Vergleiche zwischen dem Vietnam-Krieg und den Invasionen der USA nach 2001, um Martin Luther King zu zitieren: "Manchmal ist Schweigen Verrat. Wir müssen sprechen, mit all der Demut, die unseren begrenzten Möglichkeiten entspricht, aber wir müssen sprechen."

Vor allem der Irak-Krieg (Roy Campbell, Jon Hassell) und Guantanamo sind Themen, die von Jazzmusikern direkt oder indirekt reflektiert werden. Der Jazz scheint damit seine historische Bestimmung zu erfüllen. Galt doch die improvisierte Musik zumindest seit den 40er-Jahren als Projektionsfläche für anti-autoritäre Ideen und Ideologien und korrespondierten diese Gedanken nicht selten auch mit dem Selbstverständnis der Musiker.

Versprengte Einzelstatements

Klar, der Jazz, das ist politische Musik! Ist er? Es sticht ins Auge, dass die Reihe jazziger Stellungnahmen zum Thema aktueller amerikanischer Politik eine enden wollende ist. Nein, da ist keine Bewegung zu sehen, hier lassen sich nur versprengte Einzelstatements orten.

Hör-Tipp
Ö1 Jazznacht, Samstag 5. August 2006, 23:20 Uhr

Mehr dazu in Ö1 Programm

Link
Wikipedia - Charlie Haden
Paquito D’Rivera
Dave Douglas
Roy Campbell
Jon Hassell