Ein Lexikon für alle

Wissens-Sozialismus à la Wikipedia

Viele namhafte Experten arbeiten an der freien Internet-Enzyklopädie Wikipedia mit. Der langfristige Erfolg des Lexikons hängt davon ab, ob weitere qualifizierte Autoren gewonnen werden können. Der Kontakt zur Wissenschaftler-Gemeinschaft wird gesucht.

Die Wissenschaftszeitschrift "Nature" hat kürzlich bei einem stichprobenartigen Vergleich zwischen Wikipedia und der Encyclopaedia Britannica sogar festgestellt, dass Wikipedia nur eine geringfügig höhere Fehlerrate aufweist, als die renommierte Britannica. Die Fehler waren dafür zwar gravierender - trotzdem ist das Ergebnis ermutigend.

Wikipedia Academy

Um die Wikipedia noch besser zu machen, möchte die Gemeinschaft der Wikipedianer neue Autoren gewinnen, die möglichst einen akademischen Hintergrund haben sollen. Um Studenten, Doktoranden und Wissenschaftlern, die bisher nicht gewagt haben, an der Enzyklopädie mitzuarbeiten, die Schwellenängste zu nehmen, hat Wikimedia Deutschland die Wikipedia-Academy ins Leben gerufen.

Die erste wurde am 16. und 17. Juni in Göttingen abgehalten. In verschiedenen Workshops wurde den Teilnehmern dabei nähergebracht, wie Wikipedia aufgebaut ist, wie man sich anmeldet, wie man einen neuen Artikel anlegt oder bestehende Artikel ändert und welche Grundvoraussetzungen Artikel erfüllen müssen.

Ein Lexikon von allen für alle

Das Projekt Wikipedia wurde im Jänner 2001 in den USA von Jimmy Wales gestartet. Jimmy Wales wollte ursprünglich eine frei verfügbare Internet-Enzyklopädie aufbauen, die von Experten geschrieben wird. Sie lief unter dem Namen Nupedia.

Weil sich das Lexikon mit dieser Methode nur sehr schleppend entwickelte, stellte Wales sein Konzept auf das Wiki-System um - eine Website, die von jedem und jeder ohne besondere technische Vorkenntnisse direkt im Browser editiert werden kann. - Das war die Geburtsstunde der Wikipedia.

Wikipedia ist nicht-kommerziell, frei von Werbung und läuft unter der "GNU Free Documentation License" für freie Inhalte, die von der Free Software Foundation entwickelt wurde.

Drei Monate nach dem Start der englischsprachigen Wikipedia entstanden bereits die ersten deutschen Artikel. Mittlerweile gibt es mehr als viereinhalb Millionen Artikel in mehr als 200 verschiedenen Sprachen.

Qualität verbessern

In Zukunft gehe es darum, die Qualität noch weiter zu verbessern, so Wikipedia-Gründer Jimmy Wales bei der Wikipedia Academy in Göttingen: "Im Großen und Ganzen sind wir recht zufrieden mit der Qualität der Wikipedia. Aber wir wissen, dass es Bereiche gibt, in denen die Qualität nicht so gut ist, wie sie sein könnte. Was wir als Gemeinschaft gelernt haben ist, dass Akademiker viel zur Qualität beitragen können - selbst Studenten, die sich mit einem Thema intensiv beschäftigen. Die Idee dieser Veranstaltung ist, sich an qualifizierte Autoren zu wenden - ihnen zu sagen, hier gibt es einen Platz für euch, wir hätten gerne, dass ihr uns helft und wir helfen euch, das System kennen zulernen."

Unter den aktiven Wikipedianern gibt es bereits sehr viele Studenten und Akademiker, aber auch andere Autoren, die zu Hobby-Experten in verschiedenen Bereichen geworden sind.

Da Wikipedia eng mit den Ideen der freien Software zusammenhängt, liegt der Schwerpunkt aber sicherlich immer noch auf Leuten aus der Informatik. Deshalb wäre es wichtig, mehr Geisteswissenschaftler, Historiker oder Literaturwissenschaftler für eine Mitarbeit an der Wikipedia zu gewinnen, so Jimmy Wales. Viele dieser Wissenschaftler hätten aber noch Hemmungen vor der Technologie.

Vandalismus selten

Dass der Großteil der Wikipedia-Artikel von jedem editiert werden kann, der die Website besucht, bietet aber natürlich nicht nur Vorteile. Gelegentlich werden von unangemeldeten Benutzern auch Änderungen gemacht, die man als Vandalismus bezeichnen kann.

Anonyme Benutzer von der Wikipedia auszusperren, sei trotzdem nicht sinnvoll, so Patrick Danowski, Referendar an der Zentral- und Landesbibliothek Berlin und Vorstandsmitglied von Wikimedia Deutschland. Um schnell einmal einen Tippfehler oder Beistrichfehler zu ändern, wolle man sich ja nicht immer gleich anmelden müssen. Was jedoch eingeführt wurde, sind die Sperrung und Semi-Sperrung einzelner Artikel, die besonders anziehend für Vandalen sind.

Dazu zählen zum Beispiel die Artikel über Konzentrationslager oder über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 2. Juli 2006, 22:30 Uhr

Download-Tipp
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