Porträt Dominique Perrault

Architektur als Landschaft

Dominique Perraut, französischer Architekt, arbeitet international, denkt international, lebt international. Derzeit plant er zwei Türme für die Wiener Donaucity. Einige seiner Arbeiten stellt das Architekturzentrum Wien derzeit in einer Ausstellung vor.

Der Mann, der aussieht wie George Clooneys kleiner, zigarrenrauchender Bruder, ist kein typischer Architektursolist, der allein über Plänen und Skizzen brütet. Dominique Perraut spannt viel lieber kreative Netzwerke um den Globus, und wenn er irgendwo auf der Welt einen Wettbewerb gewinnt, einen Auftrag erhält, dann sperrt er ganz einfach vor Ort ein Büro auf, sucht sich Partnerarchitekten und legt mit dem Bauen los.

Gebäude als Land Art

Ein Gebäude funktioniert für den Franzosen im besten Fall wie eine Landschaft, die unterschiedliche Gegenden aufweist und von allen Seiten betreten und benutzt werden kann. Den akademischen Architekturkanon - Dach, Fassade, Fensterordnung, Eingangsportal - hält er für vorgestrig, obwohl er bekennt, in Jugendjahren weit strenger entworfen zu haben als heute.

"Am Anfang, als ich die Bibliothek in Paris, das Velodrom und die Schwimmhalle in Berlin entwarf, verwendete ich elementare Formen: sehr pur, sehr rational, sehr radikal", erzählt Perrault. "Ich versuchte eine spezielle Beziehung zum Boden einzugehen, ich grub Teile der Gebäude ein; ich versuchte, wenn man so will, die Architektur und die Konstruktion des Gebäudes mit der Landschaft zu verschmelzen."

Landschaften zeichnen sich durch fließende Übergänge aus, durch die Freiheit der Bewegung. Architektur ist jedoch meist das Gegenteil davon. Sie besteht aus Wänden, und, so Perrault, Wände haben etwas Autoritäres, Trennendes. Deshalb müsse man sich mit den verschiedenen Qualitäten von Wänden auseinandersetzen, denn eine Betonwand sei eines, eine Wand aus Glas etwas ganz anderes.

Theater für alle

Die Idee, den Menschen eine architektonische Landschaft zu bieten, nimmt auch in St. Petersburg gerade Form an. Das neue Mariinski-Theater, das 2009 fertig gestellt sein soll, ist das erste mit öffentlichen Geldern finanzierte Gebäude Russlands, das nach sozusagen demokratischen Wettbewerbsprinzipien entsteht. Und, geht es nach Perrault, sollen die Menschen, die das Haus immerhin mit Steuergeldern finanzieren, auch etwas von der Architektur haben, wenn sie nicht gerade einer Opernaufführung beiwohnen.

"Jeder zahlt Steuern für öffentliche Gebäude, aber wenn du kein Ticket hast, dann bleibst du draußen", weiß Perrault. "Wenn ich also ein Gebäude wie die Oper in St. Petersburg baue, will ich, dass alle Leute davon profitieren: Man soll hineingehen können, einen Kaffee trinken, ein Meeting haben und Ausstellungen anschauen."

Die zwei Türme

In Österreich hat der - es soll nicht unbemerkt bleiben - höchst charmante Mann hat bereits einiges gebaut: das Rathaus und ein Café in Innsbruck etwa, sowie drei Supermärkte für die architektonisch unternehmungslustige Tiroler Lebensmittelkette M-Preis.

Jetzt soll die Wiener Donau City zwei Türme - 220 und 160 Meter hoch - bekommen, die bis zum Jahr 2010 dem neuen Viertel auf der Platte eine markante Skyline und zugleich ein ansprechendes Stadtportal verschaffen. Die Doppeltürme auf der Platte sind natürlich ein vergleichsweise gigantisches Unterfangen - und, wie es bei großen Projekten immer der Fall ist - auch ein schwieriges. Investoren, Politik, Bürger - alle reden irgendwie mit. Perrault scheint aber die nötige Ruhe und Überzeugungskraft zu haben, um seine Idee einer Stadtlandschaft, die mehr kann, als in die Höhe zu wachsen, durchzusetzen. Außerdem hat er auch in Wien verlässliche Partner: die Architekten Hoffmann und Janz.

"Stellen Sie sich einen Block vor, einen Block, der in zwei Teile geschnitten ist, und den Raum zwischen den beiden Türmen: Das ist das neue Tor in den Stadtteil", beschreibt Perrault seinen Entwurf. "Es geht nicht nur darum, einen Turm zu bauen, und noch einen zweiten dazu zu stellen, sondern es geht um den Dialog zwischen den beiden Häusern, und den Ort, an dem sie stehen. Alles soll ein Gefühl der Offenheit für die Stadt vermitteln."

Der Bau ist der Star

Eigentlich hätten die Schweizer Kollegen Jacques Herzog und Pierre de Meuron einen der beiden Türme bauen sollen, aber die waren, für den Geschmack Perraults, vor allem aber für den der Auftraggeber WED, zu solistisch unterwegs, zu Architekturstar-mäßig einzelgängerisch in ihrem Entwurf.

Wobei Perrault, der sich aus dem üblichen Architekten-Medienzirkus ziemlich heraushält, gar nichts gegen die scheinwerferbeleuchteten Seiltänzer seiner Zunft einzuwenden hat. Im Gegenteil. Der Architektur als kreativer, energiegeladener Szene täte es eigentlich gut, wenn sich die eigenen Leute über die Befindlichkeit der Welt äußerten, und dass einige davon zu Stars würden, sei ganz normal. Die Produkte der Architektur selbst, also die Gebäude, müssen sich allerdings ihrem Umfeld anpassen, denn die eigentliche Star-Rolle, meint Perrault, spiele der Städtebau.

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 1. Juli 2006, 17:05 Uhr

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Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Dominique Perrault Architecture", 6. Juli bis 30. Oktober 2006, Architekturzentrum Wien,
Ö1 Club-Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (20 Prozent)

Links
Dominique Perrault
Architekturzentrum Wien - Dominique Perrault Architecture