Antrag der Grünen wurde abgelehnt

ORF-Debatte im Nationalrat

In einer Sondersitzung über den ORF debattierte am Donnerstag der Nationalrat über den Antrag der Grünen, den nächsten Generaldirektor geheim zu wählen und davor ein Hearing abzuhalten. Er wurde mit den Stimmen von ÖVP und BZÖ abgelehnt.

Journal Panorama vom 29. Juni: ORF-Debatte im Parlament

Der Nationalrat debattierte am Donnerstag, 29. Juni, auf Antrag der Grünen in einer Sondersitzung über den ORF. Dabei warfen die Grünen der ÖVP vor, zu viel Einfluss im ORF, insbesondere im ORF-Fernsehen zu haben und forderten eine geheime Wahl der ORF-Führung mit vorherigem Hearing. Der Antrag hatte keine Chance und wurde mit den Stimmen von ÖVP und BZÖ abgelehnt.

Grüne: Jede Bodenhaftung verloren

Zu Beginn der Sondersitzung betonte Grünen-Chef Alexander van der Bellen, die ÖVP halte sich mittlerweile den ORF. Er bedauerte, dass das Fernsehen nicht mehr länger das Leitmedium sei. Diese Rolle lasse die ÖVP nicht zu. Sie habe keinen Respekt vor diesem "Pfeiler der Demokratie" und in diesem Bereich "jede Bodenhaftung verloren": "Diese Partei" - so Van der Bellen - "glaubt, dass sie mit Österreich gleichzusetzen sei. Sie will die Führung des ORF durchwinken".

Zum ORF selbst und seinen Mitarbeitern meinte er, sowohl im Rundfunk als auch im Fernsehen gebe es eine Fülle von Menschen, die kreativ und mit Engagement bei der Sache seien, vorausgesetzt, dass man sie lasse und dort ein Klima vorherrsche, in dem das möglich sei - ein Klima, das Kreativität fördere und nicht ersticke. Im ORF herrsche aber derzeit eine klimatische Krise der Sonderklasse: "Die bisherige Führung des ORF hat viereinhalb Jahre lang gezeigt, dass sie nicht an einer Unternehmenskultur interessiert ist, die einem Leitmedium dieser Größe und dieser Bedeutung angemessen ist", sagte Van der Bellen.

ÖVP: Wer rettet den ORF vor seinen Rettern?

ÖVP-Klubchef Wilhelm Molterer kritisierte die Äußerungen Van der Bellens als nicht zukunftsorientiert und blies zum Gegenangriff: "Die Zukunfsdiskussion des ORF interessiert Sie, Herr Van der Bellen, doch überhaupt nicht. Sie behaupten, dass sich die Mitarbeiter des ORF nicht an das Objektivitäts- und Unabhängigkeitsgebot halten und es verletzen. Das ist ungeheuerlich! Im Interesse der ORF-Redakteure muss ich das massiv zurückweisen. Ich gebe Andreas Koller absolut recht, wenn er in einem Leitartikel schreibt: 'Wer rettet den ORF vor seinen Rettern?!"

Auf die Aussage Van der Bellens, nicht über den ORF, sondern über die Führungsmannschaft diskutieren zu wollen, entgegnete Molterer, dass eigentlich er es sei, der versuche, die zukünftige Führungssstruktur des ORF aus dem Stiftungsrat herauszuziehen und sie in die parteipolitische Dimension des Parlaments zu führen: "Sie, Herr Van der Bellen, entmachten den Stiftungsrat - jene Einrichtung die die Verantwortung für die Zukunft des ORF trägt. Sie haben einen Stiftungsrat, der von sich behauptet, er sei unabhängig - einen Stiftungsrat, der Geschäfte mit dem ORF macht, Pächter des RadioCafés ist und die TV-Übertragungen auf Großleinwand macht. Die Rechte dafür hat er vom ORF bekommen".

ÖVP: Kein Verkauf von TV-Kanälen

Franz Morak, Staatssekretär für Kunst und Medien, betonte, die Debatte um den ORF werde doch jetzt nur deswegen geführt, weil gerade Wahlen vor der Tür stünden und warf der Opposition Instrumentalisierung des Themas vor. Zu den Vorwürfen der Opposition entgegnete er, die ÖVP dominiere nicht den ORF; das beweise schon die letzte Arbeiterkammerwahl, bei der im ORF mehr als 60 Prozent der Stimmen für die sozialdemokratischen Gewerkschafter abgegeben worden seien. Auch im TV-Programm sei keine Vorherrschaft der ÖVP festzustellen.

Morak bekräftigte in seinen Ausführungen auch, einen starken, in seiner Existenz abgesicherten ORF haben zu wollen: "Wir wollen einen ORF, der frei ist von wirtschaftlichem und politischem Druck. Wir wollen für die TV-Zuseher ein identitätsstiftendes, öffentlich rechtliches Programm auf zwei Kanälen. Für den ORF bedeutet das, dass jahrelange Diskussionen über einen Verkauf eines Kanals endgültig begraben sind".

SPÖ: Politische Einflussnahme der ÖVP

SPÖ-Klubobmann Josef Cap unterstützte hingegen die Anliegen der Grünen. Er warf ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer vor, die Glaubwürdigkeit des Mediums zu gefährden. Das mache den ORF kaputt, so Cap. Es sei auch Zeit, Selbstkritik zu üben und zuzugeben, dass die ÖVP die demokratischen Spielregeln nicht eingehalten habe.

Der SPÖ-Klubmann kritisierte auch die jüngsten Aussagen des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll über ORF-Hörfunkdirektor Kurt Rammerstorfer. Zur ORF-Führungsdebatte meinte er, dass Wilhelm Molterer selbst in der Tageszeitung "Die Presse" die Wiederbestellung von Monika Lindner verkündet habe, während er hier im Parlament die aktuelle Debatte als unzulässige politische Einflussnahme kritisiere.

BZÖ: Zukunftsfragen vernachlässigt

BZÖ-Mediensprecher Uwe Scheuch antwortete mit einem Gegenangriff auf die SPÖ. Er warf den Sozialdemokraten vor, in Sachen Postenschacher auch keine Unschuldslämmer zu sein.

Die Bedeutung des ORF für das Land sei unbestritten. Die Frage nach der Generaldirektion sei aber eine Verkürzung der Debatte, so Scheuch. Es gebe wichtigere Fragen, etwa nach der Finanzierung und der Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb. Ähnlich danach auch die Vorwürfe von Terezija Stoisits von den Grünen.

ÖVP: Heuchelei
Kritik an der Opposition übte auch ÖVP-Abgeordnete Ulrike Baumgartner-Gabitzer. Sie sagte, dass der ORF ein gutes Unternehmen sei und nannte das Vorgehen der Opposition heuchlerisch. Dieser gehe es nicht um einen erfolgreichen ORF, sondern vielmehr darum, diesen fertig zu machen. Der ORF sei ein hervorragend geführtes Unternehmen. Dass einem nicht alles an ihm gefalle, sei normal; das habe aber im Parlament keinen Ort.

SPÖ: Mück ist schuld
Norbert Darabos, Abgeordneter und Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokraten, wiederum warf ÖVP-Klubobmann Molterer Interventionen beim ORF vor und kritisierte - unterstützt von einem Taferl - die Zuseherzahlen im Fernsehen. Als Hauptverantwortlichen für die derzeitige ÖVP-lastige Situation im ORF nannte er Fernseh-Chefredakteur Werner Mück.

BZÖ: Heuchelei
BZÖ-Klubobmann Herbert Scheibner hingegen wies die Argumente der Opposition zurück. Die würden nur das kritisieren, wo sie selbst keinen Einfluss hätten. Scheibner sprach sich auch gegen die Forderung der Grünen aus, dass die Abstimmungen im Stiftungsrat geheim abgehalten werden sollten.

Grüne: Mück ÖVP-Stellvertreter im ORF
Der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, machte daraufhin auf die schwachen Zuseherzahlen des Fernsehens aufmerksam, die sich negativ auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens auswirken würden: Das sei die Schuld der Geschäftsführung, die von der ÖVP gestützt werde, sagte Pilz und kritisierte in diesem Zusammenhang ebenso die Allmachtansprüche der ÖVP in der Person von Chefredakteur Werner Mück, den er als persönlichen Stellvertreter der ÖVP im ORF bezeichnete.

Danach folgte ein Seitenhieb auf die Sozialdemokraten unter Anspielung auf kolportierte telefonische Interventionen von ÖVP-Klubobmann Molterer: Das Schlagwort der Opposition laute Moltofon, denn auch das Capofon werde wieder aktiviert werden, sollte die SPÖ in die Regierung kommen, befürchtete Pilz.

FPÖ: Unterstützung für Grüne
In diesem Stil ging es weiter: Die Opposition schoss sich auf die Führung des ORF und auf die ÖVP ein, die ÖVP schoss zurück. Barbara Rosenkranz, eine der beiden FPÖ-Abgeordneten, unterstützte den Antrag der Grünen: Der ORF berichte nicht über Politik, sondern mache sie, stellte Rosenkranz in Bezug auf die Berichterstattung über das BZÖ fest.

Antrag abgelehnt
Schlussendlich kam es zur Abstimmung: Zu den Stimmen der Grünen kamen jene der SPÖ und der FPÖ. Die Regierungsparteien ÖVP und BZÖ stimmten gegen den Antrag der Grünen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer schloss daraufhin die Sondersitzung.

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