Kriminal-Klassiker Kunstraub

Tatort: Museum

Auf sechs Milliarden US-Dollar schätzt das FBI den jährlich weltweit durch Kunstraub entstehenden Schaden. Der in den letzten Jahren verzeichnete Anstieg der Kunstkriminalität ist von einem Wandel der Täterprofile begleitet.

Wie von Expertinnen und Experten bestätigt wird, boomte der Kunstmarkt in den vergangenen fünf Jahren wie noch nie. Spitzenwerke der Kunst erzielen Höchstpreise. Aber auch das Interesse an den so genannten kleinen Meistern ist gestiegen. Denn Kunstwerke werden als krisensichere Geldanlage betrachtet. Doch mit dem Interesse an Kunst ist auch die Kunstkriminalität gewachsen.

Lukratives Feld

Nach Angaben von Interpol Lyon werden im Jahr weltweit rund 45.000 Kunstwerke gestohlen. Dieser Schätzwert markiert eine untere Grenze, denn viele Länder lassen Kunstdiebstähle nicht registrieren. Das FBI schätzt den Schaden, der durch Diebstahl, illegale Ausgrabung und illegale Ausfuhr von Kunstwerken verursacht wird, auf sechs Milliarden US-Dollar jährlich.

In Österreich werden nach Auskunft des Bundeskriminalamtes jährlich Kulturgüter im Wert von 3,5 Millionen Euro entwendet. Ein spektakulärer Coup wie der Diebstahl der Saliera sprengt allerdings die heimische Statistik.

Der Fall Breitwieser

Selten sind Kunstdiebe auch Kunstkenner. Eine Ausnahme ist der Elsässer Stéphane Breitwieser, der während der Jahre 1995 bis 2001 aus öffentlichen Sammlungen in ganz Europa 239 Kunstobjekte entwendete, um sich eine "private" Kunstsammlung zusammenzutragen.

Breitwieser bevorzugte als Tatort öffentliche Auktionen, denn hier konnte er im Gewühl der Menschen untertauchen. 2001 wurde er in Luzern verhaftet, nachdem er, trotz seines unscheinbaren Äußeren, von einem Passanten erkannt worden war. Während er sich im Gewahrsam der Polizei befand, warf seine Mutter die gestohlenen Kunstobjekte in den Rhonekanal. Nur 109 der Objekte konnten von der Polizei aus dem Kanal gefischt werden. Viele davon waren schwer beschädigt.

Geldgierige Gelegenheitsdiebe

Das häufigste Motiv für Kunstraub ist Geldgier. Besonders beliebt sind derzeit barocke Engel, die in Österreichs Kirchen noch zahlreich die Sakralräume schmücken. Allein in der Erzdiözese Wien werden jährlich 20 bis 30 Objekte entwendet.

Statistisch gesehen sind diese Täter zu 80 Prozent Gelegenheitsdiebe. Die gestohlenen Objekte wechseln oft während weniger Stunden den Besitzer. Manche Skulpturen tauchen aber erst Jahre später am Kunstmarkt auf.

Paradigmenwechsel im Täterprofil

Spektakulär war der Raubüberfall auf das Munch-Museum in Oslo im Jahr 2004. Noch immer ist Edvard Munchs "Der Schrei" nicht sichergestellt. Bewaffnete Raubüberfälle auf Museen und Sammlungen sind heute keine Einzelfälle mehr. Denn Kunst wird nicht nur "entführt", um Lösegeld von den Museen oder Versicherungen zu erpressen. Am Drogenmarkt wird gestohlene Kunst auch als "Währung" eingesetzt. Die kleinen, handlichen und wertvollen Objekte sollen hier Millionenwerte garantieren.

Provenienzforschung als Gegenschlag

Museen, Versicherungen, Auktionshäuser und private Sammler sind nun in die Gegenoffensive gegangen. Die Organisation "The Art Loss Register" ist eine Folge davon. In dieser Datenbank sind mehr als 170.000 gestohlene Objekte verzeichnet. Provenienzforscher eruieren die Herkunft der am Kunstmarkt angebotenen Stücke und erschweren den Absatz gestohlener Kunstwerke.

Hör-Tipp
Radiokolleg, 6. Juni bis 8. Juni 2006, jeweils 9:05 Uhr

Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendungen der Woche gesammelt am Freitag nach Ende der Live-Ausstrahlung im Download-Bereich herunterladen.

Link
The Art Loss Register