Der harte Weg in die globale Wirtschaft

Japan nach der Krise

Mit Sony, Toyota und Co ist Japan für Europa ein Symbol für High Tech und Fortschritt. Derzeit überwindet die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt gerade eine lange Krise und ist auf Reformkurs. Dabei gilt es, einige Hindernisse zu überwinden.

KTM-Manager Michael Schano im Gespräch mit Nadja Hahn

Mit Sony, Canon, Toyota und Co ist Japan ein Symbol für High Tech und weltweiten wirtschaftlichen Erfolg - ein Erfolg, den sich die Japaner hart erarbeitet haben. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich das Inselreich der Welt geöffnet und seither eine rasante Aufholjagd gegenüber den anderen Industrienationen gestartet - bis hin zum Status als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA.

Ende der 1980er Jahre kam allerdings der große wirtschaftliche Zusammenbruch. Seither hat Japan dreimal den ersehnten Aufschwung angekündigt. Und wenn man heute etwa die Aufbruchstimmung bei der Toyota Motor Corporation sieht, die zum größten Autohersteller der Welt avancieren will, scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, dass Japan wieder zu jenem Global Player wird, der er schon war.

Wie kam es zum Crash?

Ende der 1980er Jahre gab es einen regelrechten Wirtschaftsboom im Land, der noch nie da gewesen war. Es wurde investiert, gekauft, und alles, was man sich vorab nicht leisten konnte, finanzierte man sich mit Krediten, die man mit Aktien und Immobilien absicherte. Als die japanische Notenbank die Notbremse zog und die Zinsen anhob, platzte die Blase. Die Börsenkurse und Immobilienpreise rasselten in den Keller, Kredite konnten nicht mehr zurückgezahlt werden, und die Banken standen am Rande des Bankrotts.

Der Reformprozess war unumgänglich. Die Banken mussten insolvente Unternehmer in die Pleite schicken. Viele Japaner verloren daraufhin ihren Job. In der Folge wurde die Deflation das neue Schreckensgespenst der Wirtschaft - die Preise und Löhne sanken. Das hatte zur Folge, dass Unternehmer nicht mehr investierten und die Konsumenten nur Geld für das Nötigste ausgaben.

Um die Wirtschaft aus diesem Loch zu holen, hat die japanische Notenbank vor sieben Jahren die Zinsen auf Null Prozent gesenkt. Kredite wurden also praktisch gratis. Das sollte ein Anreiz sein, wieder Geld auszugeben und so die Wirtschaft anzukurbeln.

Aufschwung unverkennbar

Mittlerweile ist das Bankwesen wieder äußerst stabil. Pro Monat wurden 50.000 Vollzeit-Jobs neu geschaffen. Der Aufschwung ist unverkennbar: "Die Unternehmer haben ihre Kosten reduziert und investieren wieder. Die Konsumenten geben langsam wieder Geld aus. Zusätzlich profitiert Japan auch von den Exporten nach China", sagt auch der Deutsche Jesper Koll, Volkswirt beim internationalen Investmenthaus Merrill Lynch in Tokio:

"Letztes Jahr ist die japanische Wirtschaft um fast drei Prozent gewachsen. Die Deflation scheint besiegt. Die Preise steigen wieder. Deshalb hat auch die japanische Notenbank angekündigt, die Zinsen bald wieder anzuheben. Das ist übrigens ein Warnsignal für alle Europäer, die einen Yen-Kredit aufgenommen haben", mahnt Koll.

Wie gut es der japanischen Wirtschaft derzeit schon wieder geht, lässt sich auch an den Thunfisch-Preisen bei der allmorgendlichen Auktion am Fischmarkt in Tokio messen ...

Die größte Kreuzung der Welt

Japan pulsiert wieder. Am deutlichsten merkt man das im Stadtteil Shibuya im Herzen von Tokio an einer Kreuzung, die angeblich die größte der Welt sein soll. Inmitten von einem Gewirr aus Glastürmen, flimmernden Leuchtreklamen, piepsenden Elektronik-Shops und chicen Designer-Kaufhäusern schleusen sich hier täglich mehr als 200.000 Menschen von einer Straßenseite auf die andere - eineinhalb Tausend sind es angeblich allein pro Ampelphase, und fast alle haben ein Handy in der Hand.

Trotz Flaute noch immer die Nase vorn

Auch im Vergleich zu den aufstrebenden Konkurrenten China und Indien hat Japan trotz überwundener Wirtschaftsflaute noch immer einen gewaltigen Vorsprung, denn die Japaner haben nach dem großen Crash konstant in Forschung und Entwicklung investiert und daher eine große Innovationskraft. Jesper Koll dazu:

"Etwa 60 Prozent der Komponenten in einem Handy, das weltweit verkauft wird, kommen aus Japan. Der Vorsprung im High Tech-Bereich ist schwer aufzuholen. International erfolgreiche Marken wie Sony, Canon oder Toyota veranschaulichen das. Außerdem hat das Land eine Kaufkraft, von der China noch weit entfernt ist. Ein Japaner verdient im Schnitt auch etwas mehr als ein Europäer".

"Verwestlichte" Geschäftskultur

"In den letzten 20 Jahren hat sich in Japan auch die Geschäftskultur stark verändert - genauer gesagt: verwestlicht", sagt Ernst Laschan, österreichischer Handelsdelegierter in Tokio. Lebenslange Anstellungen gäbe es immer weniger. Und zunehmend werde nach Leistung, nicht wie bisher nach Alter entlohnt:

"Auch die berüchtigten Verflechtungen zwischen Unternehmern, Banken und Regierung beginnen aufzubrechen. Denn das System der geschlossenen Gesellschaft funktioniert im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr", betont der Wirtschaftsfachmann.

Österreichische Firmen in Japan

Für ausländische Unternehmer war es wegen der engen Verflechtungen etablierter Partner bisher sehr schwer, in Japan Fuß zu fassen. Einige österreichische Unternehmer haben es in Japan geschafft, wie etwa Swarovski, der Weinglasspezialist Riedel oder der Motorrad-Hersteller KTM. Wolfgang Angyal, Riedel-Chef in Japan, nennt einen der Gründe: "Es dauert lange, bis die Japaner zu einem neuen Produkt oder zu einer neuen Marke Vertrauen gefasst haben. Dann aber bleiben sie auch dabei und sind bereit, hohe Preise für gute Qualität zu zahlen".

Ein großes Handelshemmnis für ausländische Unternehmer sei auch eine Vielzahl an Bestimmungen die sich noch dazu oft schnell ändern, erzählt KTM-Manager Michael Schano. Im Fall KTM seien das Vorschriften, wie laut ein Motorrad sein darf oder wie viel Abgase es in die Luft pufft: "Letztendlich entscheidet aber die Qualität über Erfolg oder Misserfolg. Denn bei der breiten Produktpalette, die die japanische Industrie anbietet, fällt nahezu jeder Import in die Kategorie Prestige und Luxus". Nicht Zölle, Steuern oder Bürokratie seien laut Schano und Angyal die größten Stolpersteine für ausländische Unternehmer, sondern die hohen Ansprüche und die Geschäftskultur.

Junge Arbeitskräfte vonnöten

Die Achillesferse der japanischen Wirtschaft ist ein Problem, das auch Europa gut kennt: Die Bevölkerung wird immer älter, mit dem Durchschnittsalter von 41 hat Japan die älteste Bevölkerung der Welt. Für Unternehmen wird es daher immer schwerer, Nachschub zu finden.

Der Mangel an Arbeitskräften könnte verringert werden, wenn man mehr Frauen in die Wirtschaft ließe. Sie sind in der japanischen Männer-Geschäftswelt aber oft nicht erwünscht. Außerdem verdienen sie maximal die Hälfte von dem, was Männer verdienen. Durch weniger arbeitende Menschen, die keine Steuern zahlen, wird es auch immer schwieriger, das Sozialsystem aufrechtzuerhalten. Japan ist deshalb zunehmend auf die Arbeitskraft von jungen Einwanderern angewiesen, die aus China, Südostasien und Lateinamerika kommen. Immigration wird zu einer bisher unbekannten Herausforderung.

Stadt-Land-Gefälle schürt Armut

Die alternde Bevölkerung und das neue Wirtschaftswachstum im Doppelpack verursachen in Japan offenbar auch ein Stadt-Land Gefälle, das vielen Japanern Angst macht, erzählt die Verlegerin Muiki Yokota: "Das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land wird immer größer. Vor allem die Alten bleiben auf dem Land zurück, und es wird immer schwieriger, sie zu versorgen".

Diese Angst teilt auch die Hotelmanagerin Kanako Murayama. Auf die Frage, ob sie an den Aufschwung glaube, sagt sie: "Der Aufschwung hat jetzt die Banken und die großen Konzerne erfasst, und jene, die dort beschäftigt sind. Kleinbetriebe haben es schwerer, und die Menschen merken bei den Löhnen auch noch nichts. Das Land entwickelt sich in zwei Richtungen, die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer".

Hör-Tipp
Saldo, Freitag, 2. Juni 2006, 9:45 Uhr

Download-Tipp
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Links
Wikipedia - Japan
Metropolis today - Zeitung mit Gästeinfos
Sony
Toyota
Canon
Wirtschaftskammer Österreich