Walter - Levi im Interpretationsvergleich
Berühmte Kontrabass-Stellen
Als Motto dieser Betrachtung könnte man "Contrabassissimo" wählen: im Zentrum stehen diesmal berühmt-berüchtigte Orchesterstellen für Kontrabass-Solo- und -Tutti. So z.B. aus Mahlers Erster in der Interpretation mit dem legendären Bruno Walter.
8. April 2017, 21:58
1. Mahler, 3. Satz: Bruno Walter, Joel Levi
Es gibt gewisse, wie Musiker sagen würden, berüchtigte Solostellen in der Orchesterliteratur, die bei Probespielen ein Gradmesser für das Können eines Spielers sind. Diesmal könnte das Motto "Bassissimo", oder noch präziser: "Contrabassissimo", lauten.
Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht die Rolle der Bassgeige im Orchester. Es geht aber nicht nur um Kontrabass-Solo-, sonder auch um -Tutti-Stellen. Die Idee zu dieser Annäherung sowie wertvolle Hinweise dazu kamen von Rudolf Illavsky, einem Kontrabassisten des RSO Wien.
Berühmte Stelle aus Mahlers Erster
Ein großes Instrument - das ist nicht gleichbedeutend mit Schwerfälligkeit. So ist nicht allgemein bekannt, dass der Trauermarsch aus der Symphonie Nr.1 in D-Dur von Gustav Mahler, vom Solo-Kontrabass angestimmt, zu den berühmtesten Kontrabass-Stellen im Orchester zählt.
"Der düsteren Klangfarbe entsprechend verwundert es eigentlich, warum dieses Thema nur von einem Kontrabass vorgetragen wird, und nicht von der gesamten Gruppe, das sind in der Regel acht Spieler, da die folgenden Streichergruppen das Thema im Tutti übernehmen, und nicht solistisch. Vielmehr erzählt man sich bis heute folgende Geschichte: Bei der Uraufführung der Symphonie 1889 unter der Leitung des Komponisten in Budapest war es das ursprüngliche Ansinnen Mahlers, diesen Beginn von der gesamten Gruppe spielen zu lassen. In Zeiten von Darmsaiten fiel es der Bassgruppe aber eher schwer, diese Melodie sauber zu intonieren. Und das veranlasste Mahler wohl dazu, sie nur von einem Spieler ausführen zu lassen. Leider hat meinem Wissen nach bis heute kein Dirigent es gewagt, diese Tradition zu brechen", erläutert Rudolf Illavsky.
Eindringlicher Walter, Levis schneller Puls
In diesem dritten Satz von Mahlers Erster, der vom Solo-Kontrabass angestimmt wird, schreibt Mahler die Dynamik mit "feierlich und gemessen, ohne zu schleppen" vor. In der historischen Aufnahme mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Bruno Walter aus dem Jahr 1950 ist diese feierliche Gemessenheit des Tempos kompromisslos eindringlich.
Die heutigen Dirigenten haben aus der Sorge heraus, es könnte zu schleppend werden, meist einen schnelleren Puls. Wie z.B. die Aufnahme von Yoel Levi mit Atlanta Symphony Orchestra mit dem amerikanischen Solo-Kontrabassisten Ralph Jones zeigt. Diese Interpretation wirkt flächiger, diese enorme Traurigkeit ist hier nicht so stark spürbar wie bei Bruno Walter.
Walters tiefere Interpretation
Es sind bloß zwölf Sekunden Unterschied zwischen diesen beiden Aufnahmen - aber an Abgründigkeit und Tiefe hinterlässt die historische Einspielung, die digital remastered wurde, einen stärkeren Eindruck.
Dieses Konzert mit Bruno Walter im Kongress-Saal des Deutschen Museums in München, das vor 56 Jahren stattfand, war ein denkwürdiges. Denn es war Walters erstes Auftreten in Deutschland seit der erzwungenen Emigration nach Amerika im Jahr 1939. Und Bruno Walter wusste wie kein anderer, wie man Mahler spielt - war der Komponist doch sein Mentor und Freund.
Hör-Tipp
Ausgewählt, Mittwoch, 24. Mai 2006, 10:05 Uhr
CD-Tipps
Mahler, Symphonie No. 1, Bayerisches Staatsorchester (Live-Mitschnitt), Deutsches Museum München, 2. Oktober 1950, Orfeo C 562 021 B
Mahler, Sinfonie Nr. 1 "Titan" (inklusive "Blumine"), Yoel Levi, Atlanta-Sinfonieorchester, Telarc/In-Akustik 0 89408 05452 5
Links
Bruno Walter Memorial Foundation
Internationale Gustav Mahler Gesellschaft
Orfeo
RSO Wien
Telarc
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