Was fehlt kann ersetzt werden

Grabung in 3D

Die Verwendung von 3D-Rekonstruktionen in der Archäologie ist noch sehr neuen Datums. Vieles ist noch umstritten, insbesondere die Frage, was in dieser virtuellen Archäologie legitim ist und was nicht. Denn die Möglichkeiten sind sehr verführerisch.

In einem Lehrraum an der Technischen Universität in Wien ist eine Multimedia-Installation eingerichtet. Drei synchronisierte Videoprojektoren werfen 3D Bilder auf die Leinwand: Wir begeben uns auf eine virtuelle Reise zu den Grabungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Ägypten.

Interaktiv können wir uns durch diese dreidimensionale Welt bewegen. Was hier zunächst zu sehen ist, ist alles real da, das heißt, die dargestellten Schreine, Tempel und Statuen wurden in dieser Form an den gezeigten Orten ausgegraben.

Ergänzen und vervollständigen

3D ermöglicht aber auch die virtuelle Ergänzung von nur teilweise erhaltenen Objekten, betont Peter Ferschin vom Institut für Architekturwissenschaften der Technischen Universität Wien, der gemeinsam mit der deutschen Ägyptologin Iman Kulitz das Projekt zur virtuellen Erfassung der Grabungen in Ägypten durchführt.

Ob Stelen oder Statuen, ganze Bauwerke oder deren Dächer - jeder beschädigte oder nur bruchstückhaft erhaltene Fund kann virtuell - mit Hilfe des Computers - ergänzt und vervollständigt werden. Dazu werden eine Reihe von Quellen herangezogen wie Texte oder Parallelen mit anderen Gebäuden.

Verführerische Möglichkeiten

Die Verwendung von 3D-Rekonstruktionen in der Archäologie ist noch sehr neuen Datums. Erst vor etwa einem Jahrzehnt begannen sich Wissenschafter international intensiver damit zu beschäftigen. Vieles ist daher noch umstritten, insbesondere die Frage, was legitim ist und was nicht.

Denn die technischen Möglichkeiten sind sehr verführerisch. "Man muss sich immer absichern, muss immer genau auf den Status quo hinweisen und erklären, wie man auf eine Rekonstruktion gekommen ist, man soll nicht der Fantasie freien Lauf lassen. Wo es an Quellen mangelt, muss man stoppen. Man kann zum Beispiel eine transparente Platte statt eines wohl modulierten Daches auf ein virtuelle rekonstruiertes Gebäude legen; das zeigt dem Betrachter: Dieses Gebäude hatte ein Dach, wir wissen aber nicht, wie es ausgesehen hat. Man muss sehr vorsichtig sein in der Rekonstruktion“, erklärt Ferschin.

Ausgrabungen ohne zu graben

Noch ist das Lager der Archäologen zwei geteilt, die einen stehen hinter der neuen Technologie und sehen darin die Zukunft, die anderen berufen sich lieber auf das, was sie kennen. Ihnen reicht eine Skizze oder textliche Beschreibung im Buch, sie wollen keine virtuelle Rekonstruktion.

Einer, der die Vorteile von 3D bereits nutzt, ist Professor Manfred Kandler vom Österreichischen Archäologischen Institut. Gemeinsam mit Peter Ferschin von der TU hat er eine 3D-Rekonstruktion des römischen Forums in Carnuntum angefertigt. Das Besondere daran ist, dass bisher nur mittels Prospektion erstellte Informationen über dieses Forum vorliegen, aber noch kein einziger Spatenstich gemacht worden ist.

Hör-Tipp
Dimensionen, MIttwoch, 10. Mai 2006, 19:05 Uhr

Download-Tipp
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Link
Stadtarchäologie Wien