Kein Ende des Bürgerkriegs in Sicht
Kolumbien im Labyrinth der Gewalt
Auch wenn Präsident Alvaro Uribe mit dem Versprechen angetreten ist, die Guerilla und Paramilitärs zu entwaffnen und sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern: Die Gewalt herrscht weiter im Land, auch im Wahlkampfjahr.
8. April 2017, 21:58
Regierungskommissionsmitglied Antonio Picón zieht Bilanz
Seit etwa 40 Jahren gehört der Terror in Kolumbien zur Alltäglichkeit. Die Kämpfe zwischen Guerillagruppen und Regierungsstreitkräften sowie den von der Armee unterstützten Paramilitärs haben bis dato mehr als 70.000 Menschenleben gekostet, mehr als drei Millionen Menschen wurden intern vertrieben, über die Hälfte davon sind Frauen.
Ein Ende des Bürgerkriegs ist dennoch weit und breit nicht in Sicht. Im Gegenteil! Entführungen und der Drogenhandel müssen als Finanzierungsmittel für den Krieg herhalten.
Wiedereingliederungsversuch Illegaler per Gesetz
Das Gesetz "Gerechtigkeit und Frieden" vom Jänner 2005 sollte die rechtliche Grundlage für die Rückkehr illegaler Kämpfer in die Legalität schaffen. Doch das Gesetz ist umstritten, verlangt es doch von denen, die die Waffen strecken, kein Geständnis über Straftaten. Allerdings droht jenen, die in "internationale Verbrechen verwickelt waren, die Auslieferung an die USA.
Mit solchen Verbrechen ist vor allem der Drogenhandel gemeint, mit dem sowohl Guerrillas als auch Paramilitärs ihren Kampf finanzieren. Allerdings werden nur etwa 20 Prozent der Drogenprofite in Kolumbien gemacht. Der große Rest verbleibt in ausländischen Händen.
Entführungen als Finanzierungsquelle
Eine Finanzierungsquelle sind auch Entführungen. Im Vorjahr ist die Zahl der Entführungen zwar deutlich zurückgegangen; zuvor aber lag sie bei jährlich mehr als 3.000 Personen. Über die Hälfte aller Entführungen weltweit entfielen damit allein auf Kolumbien.
Manche Entführte werden jahrelang festgehalten. Erst kürzlich wurde bekannt, dass ein Polizeimajor, der sich bereits seit sieben Jahren in den Händen der FARC, der Revolutionären Steitkräfte Kolumbiens, befand, in der Gefangenschaft gestorben ist.
Die Entführungsindustrie
Von den Entführungen betroffen sind auch Mitarbeiter ausländischer Konzerne. Der Experte Dr. Antonio Picon berichtet:
"Für höherrangige Manager werden bis zu vier Millionen Dollar Lösegeld bezahlt. Der Personenschutz hat zu einem Boom bei Sicherheitsfirmen geführt, aber mit dem Ergebnis, dass die Entführungen lange Zeit sogar zugenommen haben. Die Zunahme hat bewirkt, dass es leichter war, Schutz zu verkaufen, und je mehr Schutz verkauft wurde, desto mehr wurde entführt. Nicht nur die Entführer, auch die Sicherheitsfirmen profitierten also, wenn die Entführungen möglichst zahlreich waren und daher möglichst viele Geschäftsleute sich gezwungen sahen, privaten Schutz zu kaufen.
Unterstützten US-Konzerne indirekt die Drogenmafia?
Der Unternehmer Roberto Rothstein hatte eine kleine Fabrik für Elektrogeräte in Medellin, musste sie aber schließen, weil er mit den illegalen Billigimporten nicht mehr konkurrieren konnte. Er erinnert sich:
"Die Drogenmafia hat jahrelang in großem Stil in den USA Haushaltsgeräte gekauft, nach Kolumbien geschmuggelt und hier billig verkauft. Das Ganze diente der Geldwäsche. Die kolumbianischen Produzenten konnten da nicht mithalten. Nicht nur meine, auch viele andere Fabriken mussten geschlossen werden".
Viele Arbeitsplätze vernichtet
Hauptnutznießer war nach den Worten des Unternehmers der Konzern 'General Electric'. Vor allem in Florida seien Unmengen an Elektrogeräten an die kolumbianische Drogenmafia verkauft worden:
"Nach jahrelangem Protest wurde diese Praxis endlich gestoppt. Daraufhin fielen die Umsätze von 'General Electric' in Florida um 90 Prozent. Ich wurde schließlich zu einem Hearing vor den US-Senat geladen, aber kurz bevor ich aussagen sollte, jedoch wieder ausgeladen. Der Zeuge, der dann an meiner statt ausgesagt hat, behauptete, 'General Electric' habe mit diesen Machenschaften nichts zu tun. Durch das skrupellose Verhalten der US-Konzerne wurden in Kolumbien viele Arbeitsplätze vernichtet, und das brachte natürlich regen Zulauf für die Guerrilla, die Paramilitärs und die Drogenmafia.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 11. Mai 2006, 18:25 Uhr
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Links
Wikipedia - Kolumbien
alternativas.at
Enlazando Alternativas