Freud und die Frauen - Teil 2
Die Brautjahre
Freuds Frau, Martha Bernays, entstammte einer jüdisch orthodoxen Hamburger Familie, die nach Wien zog. Bei seiner zukünftigen Schwiegermutter stieß Freud auf heftige Ablehnung, und so begann ein langes, zähes Ringen um die Tochter des Hauses.
8. April 2017, 21:58
Der Frau des Genies - Martha Freud hat Katja Behling ein ganzes Buch gewidmet. Katja Behling ist Medizinerin und war einige Jahre in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig, ehe sie sich an einem an der Psychoanalyse ausgerichteten Verfahren weiterbildete. Das mag ein Grund gewesen sein, sich mit dem Privatmenschen Sigmund Freud und dessen Umgebung auseinanderzusetzen.
Nach Wien versetzt
Martha Bernays entstammte einer jüdisch orthodoxen Hamburger Familie. Ihr Vater war Kaufmann. Spekulationsgeschäfte brachten ihn in finanzielle Turbulenzen, er wurde verurteilt, eingesperrt. Nach seiner Entlassung nahm Berman Bernays das Angebot seiner früheren Firma dankbar an, in deren Niederlassung in Wien zu arbeiten. 1869, Martha war acht Jahre alt, übersiedelte die Familie nach Wien. Zitat aus Katja Behlings Buch, "Martha Freud, die Frau des Genies":
Zeitlebens erinnerte sich Martha, wie schwer es der Mutter gefallen war, Hamburg zu verlassen, und wie die Tränen, die sie vergoss, auf dem heißen Kochherd zischten. Doch die Dinge ließen sich gut an, die Situation konsolidierte sich. Die angesehene Familie aus Hamburg integrierte sich in ihr neues Umfeld und knüpfte gesellschaftliche Kontakte. Bermann Bernays konnte sich bald schon verbessern und die vermutlich lukrativere Stelle als Sekretär bei dem berühmten Nationalökonomen, Staatsrechtler und Universitätsprofessor Lorenz Ritter von Stein annehmen. Dieser beruflichen Veränderung entspricht auch, dass, als Martha und Sigmund Freud 1886 heirateten, als Beruf des Brautvater 'Journalist' eingetragen wurde, während er in Hamburg immer als 'Kaufmann' geführt worden war.
Ein wenig geschätzter Bewerber
Im Dezember 1879 brach Berman Bernays auf der Straße zusammen und erlag einem "Herzschlag". Die Witwe bestimmte vorübergehend einen Vormund für ihre noch nicht volljährigen Kinder, darunter den Vater von Bertha Pappenheim. Sie wird später unter dem Decknamen Anna O. als erste Patientin in die Geschichte der Psychoanalyse eingehen. In dieser belasteten Situation trifft Sigmund Freud die knapp 21-jährige Martha.
Schmerzlich spürte er, dass er ein wenig geschätzter Bewerber war, und ging davon aus, dass seine intrigante Schwiegermutter in spe alles tun würde, um ein offizielles Eheversprechen zu verhindern.
Heimliche Treffen
Der weitere Verlauf gab ihm Recht. Die Trennung von seiner Verlobten war, so kam es ihm vor, der erste Streich: Zunächst verbrachte Martha einen ausgedehnten Urlaub in Wandsbek im Hause ihres Onkels, seines Zeichens Fondsmakler und im Vorstand der jüdischen Gemeinde.
Als Martha im September 1882 nach Wien zurückfuhr, holte ihr Bruder Eli sie in Hamburg ab. Freud befürchtete indessen, es würde auffliegen, dass er Martha kurz zuvor heimlich besucht hatte. Wenn Eli womöglich im selben Wandsbeker Hotel gewohnt, in dem er während seiner Stippvisite abgestiegen war, und im Fremdenbuch seinen Namen entdeckt hätte, wäre es nicht allzu schwierig gewesen, sich den Rest zusammenzureimen. Aber zum Glück zog Eli, der es sich leisten konnte, ein besseres Hotel in Hamburg vor. Freuds Besuch blieb in diesem Falle unbemerkt, einmal wenigstens gereichte ihm sein Geldmangel zum Vorteil.
Zurück nach Hamburg
Der zweite Streich gegen die Verbindung folgte sogleich: Mutter Emmeline entschied, dass die Familie endgültig nach Hamburg bzw. Wandsbek zurückkehren sollte. Zwar hatte sie sich stets nach ihrer Heimat gesehnt und sich in Wien nie recht wohl gefühlt, doch waren höchstwahrscheinlich andere Überlegungen ausschlaggebend. Freud vermutete eine Intrige.
Verheiratet und doch getrennt
In einem langen, zermürbenden Kräftemessen zog er alle Register, um Martha endgültig an sich zu binden und sie dem seiner Meinung nach abträglichen Einfluss der tonangebenden Mutter und des nicht minder widerstrebenden Bruders zu entziehen. Doch der erste Punkt in diesem Kampf ging an die widerspenstige Schwiegermama, die ihrem eigenen Drehbuch folgte und ihr vorhaben - die Rücksiedlung nach Hamburg - in die Tat umsetzte.
Bis zum 13. September 1886, der Eheschließung folgten Jahre des Getrennt seins, unterbrochen von wenigen Besuchen Freuds bei Martha in Hamburg. Was blieb, waren die Briefe. Sie wurden später als eine Art Selbstanalyse Sigmund Freuds betrachtet.
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Die Brautjahre
Download-Tipp
Ö1 Club-Mitglieder können die Sendung "Salzburger Nachtstudio" vom Mittwoch, 26. April 2006, 21:01 Uhr zum Thema Freud und die Frauen nach der Ausstrahlung 30 Tage lang im Download-Bereich herunterladen.
Buch-Tipp
Katja Behling, "Martha Freud, die Frau des Genies", Aufbau Tb, ISBN 3746618584
Veranstaltungs-Tipp
Sigmund Freud Vorlesung 2006, Leon Botstein spricht zum Thema Freud und Wittgenstein. Sprache und menschliche Natur, Samstag, 6. Mai 2006, 18:00 Uhr, Gesellschaft der Ärzt, Billrothhaus, Frankgasse 8, 1090 Wien.
Links
Sigmund Freud Museum Wien
Freud-Institut
Wiener Psychoanalytische Vereinigung