Ehepaare im Niemandsland des Fremdenrechts

Verliebt, verlobt und abgeschoben

Seit 1. Jänner 2006 empfiehlt es sich in Österreich nicht mehr, sich in Nicht-EU-BürgerInnen zu verlieben. Standesämter müssen geplante Eheschließungen mit solchen der Fremdenpolizei melden. Und auch bestehende Ehen schützen nicht mehr vor Schubhaft.

Seit Jahreswechsel schützt Ehe in Österreich nicht mehr vor Schubhaft. Seit dem neuen Aufenthaltsgesetz 2006 müssen Asylwerber, die einen Österreicher oder eine Österreicherin heiraten, in ihr Heimatland zurück, um von dort eine Niederlassungsbewilligung für Österreich zu beantragen. Die betroffenen Ehepaare bleiben auf unbestimmte Zeit voneinander getrennt, denn die Dauer des Verfahrens ist ungewiss.

Ein Gesetz, um dem Missbrauch von Scheinehen einen Riegel vorzuschieben, sagt der Gesetzesmacher. Von der schärfsten und restriktivsten Regelung innerhalb Europas spricht das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte.

Ehen ohne Schutz

Angela Magenheimer, die im Februar die Initiative "Ehe ohne Grenzen" gegründet hat, veranstaltet Kundgebungen vor dem Innenministerium. Die DemonstrantInnen sind vor allem Frauen, die ihre Ehemänner behalten wollen. Als Betroffene erzählt Angela in der Öffentlichkeit ihre Geschichte.

"Die Angst vor der Abschiebung hängt über unserer jungen Ehe wie ein Damoklesschwert. Jedes Mal zusammenzucken aus Angst vor der Fremdenpolizei, wenn es unangemeldet an der Türe läutet. Angst, wenn mein Mann ein bisschen später als vereinbart nach Hause kommt."

Abschiebebefehl mit Sofortwirkung

Seit 1. Jänner haben Fremdenpolizisten das Recht an die Wohnungstür zu klopfen, den Abschiebebefehl auszuhändigen und die betroffene Person auf der Stelle mitzunehmen. Die Angst ist groß, denn es geschieht bereits. Zum ersten Mal im Fall der Chinesin Su Ju Jing, die ins Gefängnis kam, obwohl ihr einziges Vergehen darin bestand, in Österreich Zuflucht gesucht zu haben.

Die Chinesin Su Ju Jing befindet sich nicht mehr in Schubhaft. Sie wurde außer Landes geschafft und ihrem Mann wurde die Rechnung für die Abschiebung geschickt: EUR 6.079,-, inklusive der Flugtickets für die beiden Fremdenpolizisten nach Shanghai. Begründung für die Abschiebung: Illegaler Aufenthalt und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. War sie eine Unsicherheit für Österreich oder wurde sie zum Opfer von Unsicherheit?

Asylansuchende hinter Gitterstäben

Seit 1. Jänner haben Fremdenpolizisten in Österreich das Recht, jeden Asylwerber in Schubhaft zu nehmen. Gleich nach dem Grenzübertritt. Vom Gefängnis aus suchen Menschen um Asyl in Österreich an und warten das Verfahren hinter Gitterstäben ab. In den ersten drei Monaten des heurigen Jahres gab es um fast ein Viertel mehr Schubhäftlinge als 2005.

Ehevollzugs-Kontrollen

Werte wie Familie und Ehe, die im öffentlichen politischen Diskurs hochgehalten werden, gelten scheinbar nur für österreichische Paare. Seit Jänner sind binationale Ehepaare österreichischen rechtlich nicht mehr gleichgestellt. Warum diese Differenzierung?

Das neue Gesetz soll Scheinehen bekämpfen oder „Aufenthaltsehen“ wie sie in der Behördensprache heißen. Doch wie lässt sich der Vollzug von Ehe feststellen? Woran misst man die Echtheit von Zweisamkeit? Die Fremdenpolizei scheint es zu wissen. Im Namen des Gesetzes führt sie Kontrollen durch: Dokumente, Anwesenheit in der Wohnung, Schmutzwäsche...

"Verpolizeilichung des Asylrechts"

Seit erstem Jänner findet auch bereits im Vorfeld die staatliche Überwachung von Eheschließungen statt. Die heimischen Standesämter sind verpflichtet, Aufgebotbestellungen von Österreichern mit Nicht-EU-Bürgern ausnahmslos der Fremdenpolizei zu melden. Von einer "Verpolizeilichung des Asylrechts“ spricht das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte.

Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention?

Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention wird in Österreich derzeit missbraucht, denn nicht jeder hat Anspruch auf die Achtung seines Privat- und Familienlebens. Rechtsexperten sind davon überzeugt, dass das neue Niederlassungsgesetz wieder einmal ein Gesetz ist, das vor den Verfassungsgerichtshof kommt, wo es vor den Augen der Richter keine Gnade finden wird. Bis dahin werden die Inschubhaftnahmen und Abschiebungen nicht aufhören.

Der Versuch, eine Stellungnahme der Innenministerin zu bekommen, ist trotz dreiwöchiger Nachfrage ergebnislos geblieben.

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Mittwoch, 26. April 2006, 18:25 Uhr

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