Aufruhr in der heimischen Filmszene

Die große Sause

Österreichs Filmszene ist wieder einmal in Aufruhr. Der heimische Produzentenverband hat sich de facto selbst aufgelöst. Hier gehe es nicht um Kunst gegen Kommerz, wird verschiedentlich beteuert. Worum denn sonst, bitte schön?

Man hätte es sich denken können: Vor zwei Jahren noch schien die österreichische Filmbranche geeint wie nie. Damals stand eine allseits ungeliebte Reform des Filmfestivals "Diagonale" ante portas, und gegen diesen Außenfeind übte man sich (erfolgreich) in Solidarität.

Kaum war diese Schlacht geschlagen, war es auch schon vorbei mit dem inneren Frieden. Sinkende Marktanteile im Inland und die ohnehin chronische Unterdotierung der Filmförderung brachten, erst bei der heurigen "Diagonale" und dann bei einer Generalversammlung des Produzentenverbandes, das Fass zum Überlaufen. Nach einem Massenexodus aus dem Produzenten-Vorstand soll Ende April ein Ausweg aus dem Schlamassel gefunden werden. Die Chancen stehen nicht gerade günstig.

"Hinterholz 8" gegen "Die Klavierspielerin"

Wie immer nach eruptiven Ausbrüchen sind denn auch schon die Nebelwerfer in Aktion getreten. Hier gehe es keinesfalls um den Gegensatz von Kunstfilm und Kommerzkino, wurde des Öfteren versichert (u. a. in einem "Standard"-Gastkommentar von Alfred Noll, dem (zurückgetretenen) Generalsekretär des Produzentenverbandes). Aha, und worum sonst soll es letztlich gehen, bitte schön?

Die Filmförderung solle sich vermehrt auf jene Art von Filmen konzentrieren, die im Inland an der Kasse reüssieren, lautete und lautet eine Kernforderung des Produzenten-Wortführers. Legt man dieser Forderung die Besucherstatistik zu Grunde, wird klar, wohin die Reise gehen soll - sind die ersten drei Plätze dieser kommerziellen Austrofilm-Statistik doch von den Titeln "Hinterholz 8", "Poppitz" und "Müllers Büro" besetzt, alles Vertreter jener Art von Kino, das im Inland Zuspruch findet, dessen Strahlkraft jedoch an den Landes- und Sprachgrenzen schlagartig erlischt.

Diesem Genre mehr Geld nachzuwerfen auf Kosten jenes innovativen Kinos, das - von "Hundstage" bis zur "Klavierspielerin" - erst Österreichs Ruf als kleines Film-Wunderland begründet hat, hieße in der Tat, wie es Michael Haneke bei der "Diagonale" unlängst formuliert hat, den Provinzialismus mittels Populismus zu fördern.

Auch Kunst bringt Geld

Zudem übersehen die Verfechter der "Abstimmung an der Kinokasse" (bewusst?) eines: Auch die so genannten "Kunstfilme" sind nicht selten auch kommerziell enorm erfolgreich, freilich nicht unbedingt im eigenen Land. Der schon erwähnte Ulrich-Seidl-Film "Hundstage" hat z. B. bereits mehr als 300.000 Besucher erreicht, das ist mehr als die massiv beworbene Kabarett-Groteske "MA 2412 - Der Film". Und Michael Hanekes "Funny Games" ist via DVD verbreitet bis ins hinterste Nest Südamerikas. Zwei Beispiele von vielen, die für eine Entwicklung stehen, die von der jetzt aufgebrochenen Diskussion letztlich nur gefährdet werden kann. Es wird doch wohl nicht einer neuen Bedrohung "von außen" bedürfen, um die heimische Filmszene wieder zur Vernunft zu bringen?