Italien und Iran
Größte anzunehmende Unfälle
Über die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen, die Sprengkraft des Politischen, das Prinzip Hoffnung beim Machtwechsel, gewiesene Türen, diplomatische Lösungen und - ja, auch - über die Macht des publizierten Wortes schreibt Eugen Freund in dieser Woche.
8. April 2017, 21:58
Diese Information verdanken wir unserem Italien-Korrespondenten Andreas Pfeifer: er berichtete vergangene Woche in einem "Journal-Panorama" von den Wahlkampfaktivitäten Silvio Berlusconis. Etwa von dessen Auftritt in Palermo, wo Berlusconi in besonders guter Laune erschienen war.
Und wie kann man "gute Laune" besser demonstrieren als mit einem schlechten Witz. Berlusconi erinnert die Zuhörer an seinen Streit mit dem Deutschen Europaabgeordneten Martin Schulz vor drei Jahren. Damals hatte Schulz dem italienischen Regierungsmitglied Umberto Bossi vorgeworfen, seine Aussagen seien schlimmer als das, was das EU-Parlament im Zusammenhang mit der FPÖ-Regierungsbeteiligung in Österreich kritisiert hatte. Berlusconi hatte daraufhin vorgeschlagen, Schulz in einem Nazi-Film die Rolle eines Aufsehers in einem Konzentrationslager spielen zu lassen.
Also erzähl ich euch einen Witz, ruft Berlusconi der aufgedrehten Menge in Palermo zu: "Kommt der Capo zu den Gefangenen ins KZ und sagt: 'Ich habe eine gute und eine weniger gute Nachricht. Die Gute ist, dass ihr morgen in ein anderes Lager verlegt werdet, die weniger Gute: das gilt nur für den Teil vom Bauch bis zum Kopf !" "...dalle qui i su.., hahaha" lacht Berlusconi und zeigt mit der Hand vom Nabel bis zum Kopf. Ein schlechter Witz? Ein Witz? Ein Witz über ein Konzentrationslager?
Derart Geschmackloses kann sich in Europa sonst wohl niemand ungestraft leisten. Und gar noch Glückwünsche für den Wahltag einheimsen. Aber auch die vernünftigen Italiener haben davon offenbar genug. Sie wollen sich nicht länger beschimpfen lassen. Und so haben die "Vollidioten" Berlusconi jetzt den Weg zur Ausgangstür gewiesen. Ob er durchgeht, steht zum Zeitpunkt, als diese Zeilen geschrieben werden, noch nicht fest.
Große Aufregung über einen Artikel von Seymour Hersh im New Yorker. Der Aufdeckungsjournalist (er hatte in den siebziger Jahren zum ersten Mal über das amerikanische Massaker von My Lai in Vietnam berichtet) schreibt über US-Pläne, den Iran wegen seines Atomforschungsprogramms zu bombardieren. Möglicherweise sogar mit speziellen Atomsprengköpfen, die tief in die Erde eindringen, um auch die unterirdischen Forschungseinrichtungen zu zerstören. Offizielle Regierungsstellen reagieren mit einem Dementi und verweisen darauf, dass sie (immer noch) an einer diplomatischen Lösung interessiert sind.
Auf den ersten Blick erscheint das Szenario tatsächlich ein wenig phantastisch - vor allem wenn man bedenkt, wie sehr das Irak Abenteuer (bis jetzt jedenfalls) schief gelaufen ist. Aber im Unterschied zum Irak denken die Amerikaner ja nicht an eine Invasion, sondern ein gezieltes Bombardement - allerdings mit den gleichen Konsequenzen: sie erhoffen sich einen Umsturz, die unzufriedenen Iraner und die Oppositionsgruppen würden das derzeitige Regime stürzen.
Freilich - Bombardement klingt wie eine zielgenaue Operation, wo möglichst wenig Blut fließen soll. Tatsächlich haben die Iraner aus der irakischen Erfahrung gelernt. Ihr Atomprogramm ist nicht nur weit verstreut, sondern auch tief im Untergrund verborgen - niemand kann sicher gehen, wenn - sagen wir - drei Viertel der Anlagen zerstört werden, dass nicht ein Viertel mit einem funktionsfähigen Atomsprengkopf übrig bleibt - mit allen Konsequenzen für die Region. Wobei auch dieses Szenario von Experten als übertrieben beschrieben wird, denn noch besitzt der Iran keine Atombombe: zwei bis sieben Jahre (je nachdem ob man israelischen oder amerikanischen Experten Glauben schenkt) soll es noch dauern, bis Teheran tatsächlich über Atombomben verfügt. Vielleicht doch genug Zeit für eine diplomatische Lösung?
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Iran verfügt über Atomtechnologie