NAFTA und Folgen für Mexiko - Teil 3

Chiapas - Indigener Widerstand und Emigration

Am 1. Jänner 1994 besetzten die Zapatisten gleichzeitig fünf Städte in der Region Chiapas. Am selben Tag trat auch der Nordamerikanische Freihandelsvertrag zwischen den USA, Kanada und Mexiko in Kraft. Diese Gleichzeitigkeit war kein Zufall.

Erstmals einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden die Zapatisten am 1. Jänner 1994, einem Tag, der Mexiko verändert hat. An diesem Tag besetzten maskierte Kämpfer der EZLN gleichzeitig fünf Städte in der Region Chiapas.

"Die Zapatisten haben das Datum wegen des Inkrafttretens von NAFTA ausgewählt. Das vergisst man mittlerweile, weil man den Konflikt auf indigene Probleme reduziert obwohl es tatsächlich um den Wirtschaftskurs geht.", sagt der Sozialwissenschafter Alberto Arroyo.

Das erste Treffen der Globalisierungsgegner

Chiapas wurde zum Schauplatz des ersten großen internationalen Treffens der Globalisierungsgegner. Die EZLN lud 1996 zu einem ersten "intergalaktischen Treffen", wie sie es nannten, ein, einem Treffen, das unter dem Mott stand: "gegen den Neoliberalismus und für die Menschlichkeit".

Über 3000 Menschen aus 54 Ländern nahmen 1996 am ersten ‚intergalaktischen Treffen’ teil. Die Aufrufe der Zapatisten für Gewaltfreiheit und für Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit fanden weltweiten Widerhall und ihr Motto "eine andere Welt ist möglich" wurde zum Slogan der globalisierungskritischen Bewegung.

Neue Ursachen der Armut

Dennoch, Chipas hat noch immer die höchste Sterberate in Mexiko. Hier sterben die Menschen an Hunger und eigentlich leicht heilbaren Krankheiten wie Grippe und Magen-Darm-Infekten. Das ist nicht neu, sondern war seit Anfang der Kolonialherrschaft so.

Neu ist dagegen, dass zu den alten Ursachen der Misere nun neue gekommen sind. Denn neben den alten Großgrundbesitzern haben nun zunehmend auch transnationale Unternehmen Interesse am indigenen Land.

Folgen des NAFTA

Eine Agrarreform gab es in Mexiko erst in den 30er Jahren. Während der Präsidentschaft von Cardenas wurden die großen Landbesitzer enteignet und weil man die Selbstversorgung der Landbevölkerung sicherstellen wollte, übertrug der Staat den ländlichen Gemeinden Land, das von der Gemeinde an die Bauern weitergegeben wurde. Das meiste Land wurde auf diese Weise zu "ejido-Land".

Die "ejidos", wie man in Mexiko den kollektiven Landbesitz nennt, blieben zwar Staatseigentum, die Bauern hatten aber unbegrenztes Nutzungsrecht. Der Boden war unverkäuflich, konnte also nicht privatisiert werden. Festgeschrieben war dies bis vor kurzem im Artikel 27 der mexikanischen Verfassung.

Mit beginn der Verhandlungen mit den US-Amerikanern und Kanadiern über den NAFTA-Vertrag wurde die Angleichung der Rechtsverhältnisse in den drei Staaten nötig. In diesem Zusammenhang musste der Artikel 27 der mexikanischen Verfassung über den kollektiven Landbesitz abgeändert werden.

Nach dem neuen Gesetz können nun sowohl in- als auch ausländische Aktiengesellschaften oder Privatpersonen auch noch Gemeinschaftsland pachten oder kaufen. Der ejidatale Boden kann also privatisiert werden.

Das Ende der Kleinbauern

verpachten. Doch vielen bleibt nichts anderes übrig, als genau dies zu tun. Man schätzt, dass zwischen 500.000 und 700.000 Subsistenzbauern inzwischen die Landwirtschaft aufgeben mussten. Eine andere Schätzung geht davon aus, dass allein im Jahr 1996 600.000 kleine Maisproduzenten ihre Parzellen nicht mehr bestellen konnten.

Der kleinen Zahl mächtiger und finanzkräftiger Unternehmen, die ihre Erzeugnisse hauptsächlich in die USA exportieren, steht also eine immer größer werdende, verarmte und marginalisierte Mehrheit gegenüber. Dieser immer stärker hervortretende Gegensatz wird noch dadurch betont, dass den Subsistenzbauern die Förderungen gestrichen worden sind, während die Großen durchaus ansehnsehnliche Summen von Staat bekommen, so Ana de Ita vom "Studienzentrum für einen Wechsel in der Agrarpolitik".

Ein trostloses Bild

Nach zwölf Jahre NAFTA und 18 Jahren neoliberaler Reformen bieten die Zustände auf dem Land also ein überaus düsteres Bild.

Das kommunale Land, das bisher die Substistenzbauern ernährt hat, wird verpachtet oder verkauft, weil diejenigen, die es bearbeiten, nicht mehr davon leben können. Immer mehr Landstriche veröden, weil es sich nicht mehr lohnt, sie zu bebauen, produktive Böden liegen brach.

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Freihandel um jeden Preis
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Freihandel, Souveränität und Menschenrechte

Hör-Tipp
Radiokolleg, Montag, 3. April bis Donnerstag, 6. April 2006, 9:05 Uhr

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