Der ungarische Schriftsteller György Konrád

Was mir wichtig ist ...

"Ob Fürsorger, Stadtsoziologe, Dissident - in allen meinen Rollen war ich ein Spion des Schriftstellerberufs", sagt György Konrád über sich selbst. Trotz seiner zahlreichen negativen Erfahrungen ist er überzeugt: "Keine Zivilisation ist zur Diktatur verurteilt".

"Heimat ist, wo ich nicht totgeschlagen werde, wo ich meine Kinder in Sicherheit weiß, wo es Achtung gibt vor der Person und dem Wort, wo das, wie ich bin und was ich denke, mit einem Vorschuss an Billigung bedacht wird", sagt der ungarische Schriftsteller György Konrád, der auf seinem bisherigen Lebensweg schon viele Ortswechsel hinter sich gebracht hat.

Ironie des Schicksals

1933 in Debrecen als Sohn jüdischer Eltern geboren, musste er als Elfjähriger im Zweiten Weltkrieg gemeinsam mit seiner Schwester in Budapest untertauchen und überlebte. Als er und seine Eltern nach dem Krieg in das Dorf seiner Kindheit - Berettyóújfalu - zurückkehrte, war nichts mehr so, wie es einmal war. Die jüdischen Schulkollegen waren alle verschwunden, ermordet. Seine Eltern gehörten zu den wenigen ungarischen Juden, die die nationalsozialistische Schreckensherrschaft überlebt haben. Dies beschreibt Konrád auch in seinem Buch "Glück":

"Das 'Glück' meiner Eltern war - so zynisch und ironisch es auch klingen mag - die Internierung durch die Gestapo und damit das Entgehen der Ermordung in Auschwitz".

Sein geheimer Wunsch

Als sich die Zeiten änderten und 1949 zum Jahr der Wende wurde, verlor Konráds Vater seine im Dorf betriebene Eisenwarenhandlung. Die Familie übersiedelte wieder nach Budapest. György Konrad erwarb ein Diplom als Ungarischlehrer, studierte Literatur, Soziologie, Psychologie und schrieb redaktionelle Beiträge in einer literarisch politischen Zeitschrift. Sein Wunsch, Schriftsteller zu werden, wurde immer größer:

"Als junger Mensch sprach ich in der Familie nicht darüber, dass ich Schriftsteller werden wollte. Zu sehen war lediglich, dass ich viel las, auf der Schreibmaschine klapperte und meine Buchrezensionen in Zeitschriften erschienen, während ich die Universität besuchte".

Der Ungarn-Aufstand

1956 begann die nächste Zäsur in seinem Leben: Er beteiligte sich am Ungarn-Aufstand, fand sich mit einem Maschinengewehr wieder und fiel auf, weil er sich nicht beugen ließ: "Ob als Fürsorger, als Stadtsoziologe oder als Dissident - in allen meinen möglichen Rollen war ich ein Spion des Schriftsteller-Berufs. 'Untersuchen wir die Lage, in die wir hineingeraten sind!' - war die Devise. Dazu gehörte natürlich auch eine gewisse Wichtigtuerei. Sollte ich mich auf den Weg der Sünde verirrt haben, als ich mich dem Teufel der weltlichen Eitelkeit verschrieben hatte?", fragte er sich damals.

Seine Auflehnung mit provokanten Artikeln gegen die ungarische Diktatur hatte für Konrád Konsequenzen. Er wurde längere Zeit arbeitslos, bis er von 1959 bis 1965 als Jugendschutzinspektor und später als Soziologe für den Städtebau arbeitete. Dennoch: seine sozialkritischen Äußerungen führten zur ständigen Beobachtung durch die Kommunistische Partei Ungarns.

Mit der Macht der Worte

Durch sein Romandebüt "Der Besucher", das er 1969 veröffentlichte, wird schließlich die internationale Kritik auf Konrád aufmerksam. In diesem Werk beschreibt er, wie ein Beamter plötzlich aus seinem geordneten Leben ausbricht und an der Gesellschaft scheitert.

György Konrad hat sich immer gegen das kommunistische Regime und dessen Machtentfaltung mit der Macht der Worte gewehrt: "Der Kommunismus hat nichts Böses versprochen, wollte humanistisch erscheinen. Die Kommunisten wollten nicht böse sein; denn massenhaft Kinder zu töten, kann nicht einmal den schlimmsten Kommunisten einfallen", sagt er.

Der reisende Schriftsteller

Nach und nach konzentrierte sich György Konrad auf die literarische Arbeit. Und er hatte viel zu schreiben: über den Nationalsozialismus und seine schrecklichen Folgen, über den Kommunismus, der ihm die Freiheit für eine geregelte Berufstätigkeit nahm und ihn mit einem Berufsverbot belegte, das von 1978 bis 1988 dauerte. in jener Zeit aber war es ihm erlaubt, zu reisen; und das tat er auch. So war er u. a. in Westeuropa, Amerika und Australien.

Für den ungarischen Schriftsteller ist der Mensch auch ein Reisender, "ein Reisender, der irgendeinem Ziel zustrebt. Käme er dort an, wäre er kein Reisender mehr. Verständlich, wenn der Reisende während der Beschwerlichkeiten des Weges an die Annehmlichkeiten der Ankunft denkt, wie auch ein müder Mensch einschlafen und an sonst nichts mehr denken möchte".

Für ein friedliches Mitteleuropa

In seinen Essays plädiert er für ein friedliches Mitteleuropa, dass die Grenzen zwischen Ost und West überwinden soll: "Die Idee Europas ist die Ablehnung der Möglichkeit eines europäischen Krieges. Wenn wir tatsächlich den Frieden wollen, müssen wir Leben und Freiheit des einzelnen Bürgers als einen über allen stehenden Wert betrachten".

Als Demokrat und Dissident zählt Konrád neben Václav Havel oder Pawel Kohout zu den wichtigsten Stimmen vor 1989; von 1990 bis 1993 war er Präsident der internationalen Schriftstellervereinigung P. E. N. und erhielt 2001 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Von 1997 bis 2003 wurde er Präsident der Akademie der Künste in Berlin-Brandenburg.

Ich bin angekommen

Am 2. April feiert György Konrad seinen 73. Geburtstag. Seine manchmal trotzige jugendliche Aufmüpfigkeit hat er sich bewahrt und einen liebevollen Umgang mit dem, was ihm wichtig ist:

"Heimat ist mitten auf der Elisabethbrücke, wenn ich - von meinen Reisen zurückkehrend - mir sage: 'Wie schön!' Und Heimat ist dort vor einem von wildem Wein berankten Haus, wo ich den Torschlüssel hervorsuche und mit je einer Tasche über beiden Schultern hinauf in den zweiten Stock gehe, ein wenig keuche und von drinnen Stimmen höre, sehr lebhafte Stimmen. Ich bin angekommen".

Link
Wikipedia - György Konrád