Startklar von high end bis low budget

Fliegende Teppiche

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das während des Fliegens sitzen und eine warme Mahlzeit zu sich nehmen kann, dozierte Loriot. Die Tücken der Fortbewegung per Fliegender Sessel verblassen angesichts der Tücken der Vorgänger-Modelle!

Fliegende Teppiche sind geschichtlich bezeugt. Ihr Ursprung ist in den Schluchten und auf den Gipfeln des Zagrosgebirges zu suchen, und sie spielen eine wichtige Rolle im Kampf um die Selbständigkeit ihrer Völker. Als das Partherreich im Jahr 130 vor Christus vom Seleukidenkönig Antiochos VII. angegriffen wurde, soll sich König Phraates II. auf einem Feuer und Blitze speienden, einem Tuch oder Teppich ähnelnden Fluggerät dem Feind entgegen geworfen und ihn vernichtend geschlagen haben. Seine jubelnden Untertanen durften bei der anschließenden Siegesfeier einen ähnlich spektakulären Auftritt ihres Königs erleben: wie ein Albatross, so wird berichtet, schwebte er über die Menge, die außer sich vor Freude war.

Die List Shapurs des Sassaniden

Auch in den Kriegen der Sassaniden soll die Geheimwaffe eingesetzt worden sein: Anders wäre den entsetzten Römern die Gefangennahme von Kaiser Valerian nicht zu erklären gewesen. Demzufolge drang König Shapur I. auf seinem magischen Fluggerät ins Lager der Römer ein und entführte den aus dem Schlaf gerissenen Valerian. Diese listige Tat beendete im Frühsommer 260 den Versuch, die aus dem Iran anstürmenden Sassaniden aufzuhalten. Hier verliert sich die Spur des überaus erfolgreichen Kriegsgeräts, das möglicherweise in geheimen Winkeln Teheraner Keller auf seine Wiederentdeckung wartet.

Verwirrungstaktik

Danach setzte, vielleicht um die Geheimwaffe zu schützen, eine ungeheure Desinformationskampagne ein: Fliegende Teppiche wurden nur mehr im Zusammenhang mit höchst dubiosen Geräten des täglichen Gebrauchs erwähnt. Wer vertraut schon einem Informanten, der gleichzeitig noch von als Lampen getarnten Eigentumswohnungen zaubermächtiger Dschinn redet, von geflügelten Pferden aus Ebenholz, von Holzschiffe vernichtenden magnetischen Bergen, von sich selbst füllenden Trinkgefäßen beziehungsweise Geldbeuteln, von sehenden Pfauenfedern, gestaltwandlerischen Weinen oder weise sprechenden Tieren aller Art.

Marokkanischer Tarnroman

In jüngster Zeit verdichten sich die Hinweise, dass die Kunst, Fliegende Teppiche herzustellen, zu pflegen und zu nutzen, nicht nur nicht vergessen wurde, sondern auch erfolgreich vor den neugierigen Augen westlicher Beobachter geheim gehalten werden konnte. Das enthüllt ein als Roman getarnter Bericht über die Qualitäten der verschiedenen Teppichmarken. Der Verfasser, der in die Niederlande emigrierte Marokkaner Hafid Bouazza, bewertet die Qualitäten der verschiedenen Erzeugerfirmen, schildert einen waghalsigen Testflug auf einem als minderwertig eingestuften Gerät und gibt Tipps zur Pflege.

Von high tech bis no name

Das Spitzenprodukt Peri Banu stammt aus dem Iran. Ausgetüftelte Technologie, gepaart mit luxuriöser Eleganz und dem eingebauten Tschoing - eine Art siebter Gang - reißen zukünftigen Besitzern tiefe Schluchten in die Geldbeutel. Einmalig ist das Material dieser Fluggeräte: von tibetischen Kindmönchen handgesponnene Yakseide wird auf Yetihaare geknüpft! Die Firma garantiert für alle Modelle, vom Familiensitzer bis zur sportlichen Variante, Robustizität bis an den Rand der Atmosphäre, gemäß dem Werbespruch "Wenn schon Yak, dann Yeti!"

Starke Konkurrenz erwächst dem Peri Banu aus Asien: Shlomon, Firmensitz geheim, erzeugen billigen, den geforderten Sicherheitsnormen nicht entsprechenden Nachbau - der anhängige Rechtsstreit wird Anwaltsbüros noch Jahrhunderte lang gut leben lassen!

Nach unten schließt sich die Produktpalette mit dem Kleinstmodell für den Kleinstgeldbeutel: Nevernym der Spatz. Den Fliegekomfort vergleicht Hafid Bouazza mit dem Ritt auf einem wild gewordenen Büffel und zitiert einen anonym bleiben wollenden, feixenden Firmenvertreter: "Was wollen Sie? Für eine Handvoll Dollar ist eben nur der Highway to Hell zu haben!"

Die Drosselknoten der Teppich-Mafia

Falls Sie an den Erwerb eines Fliegenden Teppichs denken, bedenken Sie zunächst, dass Wasser und Frauen jeder Altersstufe die komplizierte Flugtechnologie außer Betrieb setzen. Und dass in den letzten Jahren ganze Banden von Fliegenden-Teppich-Händlern mit gefälschter Ware den europäischen Markt überschwemmten. Und dass einerseits "Verräter", die echte Produkte an Fremde verkaufen, von einer sich selbst "Teppich-Mafia" nennenden Geheimorganisation in den Tod getrieben werden, und andererseits alle jene, die bis heute von Verrätern gekauft haben, von wild gewordenen Knoten ihres Geräts erdrosselt worden sind. Interpol ist machtlos!

Service

Buch Hafid Bouazza, "Paravion", Klett Cotta

Klett Cotta - Paravion