Ein Porträt zum 80. Geburtstag von Andrzej Wajda
Der doppelte Blick
Andrzej Wajda zählt zu den "Unsterblichen" - so nennt man die Mitglieder der Französischen Akademie der schönen Künste. Bereits 50 Jahre prägt er das polnische Filmschaffen wie kein Zweiter. Für sein Lebenswerk erhielt er erst kürzlich den Goldenen Bären.
8. April 2017, 21:58
Andrzej Wajdas Blicke zurück und in die Zukunft
Andrzej Wajda zählt als Begründer der so genannten "Polnischen Schule" neben Roman Polanski und Krzysztof Kieslowski zu den bekanntesten polnischen Filmregisseuren. Mehr als 50 Jahre steht er bereits hinter der Kamera. Seine Liste an Ehrungen und Auszeichnungen ist lang. Erst vor wenigen Tagen wurde ihm auf der diesjährigen Berlinale der "Goldene Ehrenbär verliehen. Am 6. März feiert er seinen 80. Geburtstag.
Der "Unsterbliche"
Andrzej Wajda gehört zu den "Unsterblichen - so nennt man die Mitglieder der Französischen Akademie der schönen Künste. 1926 in Suwalki in Nordpolen geboren, war er im Zweiten Weltkrieg im polnischen Widerstand tätig. Nach dem Krieg studierte er Malerei in Krakau; erst danach besuchte er die Staatliche Filmschule in Lodz. Seinen ersten Film, "Eine Generation", drehte er 1954. Bis dato sind es 34, darunter "Der Kanal" sowie "Asche und Diamant", die als Meisterwerke des polnischen Kinos gelten. Im Ausland wurde er vor allem durch die Filme "Das gelobte Land" und "Danton" bekannt. Auch als Theaterregisseur, vor allem am Teatr Stary, aber auch an internationalen Bühnen machte er sich einen Namen.
Für sein filmisches Werk ist er bereits mehrfach geehrt worden: 1987 erhielt er den renommierten Kyoto-Preis. Beim Filmfestival in Venedig 1998 bekam er den Goldenen Löwen. Für seine Filme "Das gelobte Land", "Die Mädchen von Wilk" und "Der Mann aus Eisen" hat er jeweils eine Oscar-Nominierung erhalten. Für sein Gesamtwerk wurde er vor knapp sechs Jahren neben der kürzlich verliehenen Berlinale-Trophäe auch in Hollywood mit dem "Oscar" ausgezeichnet.
Sein Erfolgsrezept
Es gibt viele Faktoren, aus einem Film einen Kassenschlager zu machen. Andrzej Wajda nennt aus seiner Sicht die Wesentlichen: "Ich bin davon überzeugt, dass für einen Regisseur zwei Dinge entscheidend für Erfolg oder Misserfolg eines Films sind: die Wahl des Themas und die Wahl der Schauspieler. Diese beiden Entscheidungen können auch die Schwäche des Drehbuchs wettmachen", sagt er. Erst danach stelle sich die Frage, wie man die Gruppe zusammenstellt, wobei er auch hier zwei Methoden nennt:
"Entweder man arbeitet immer mit dem gleichen Team, was ich nicht für gut finde, oder man sucht sich eine Gruppe von Freunden. Das Letztere halte ich für empfehlenswerter. Ich bin sogar davon überzeugt, dass man einen Film immer mit Freunden machen sollte. Mir wird auch nachgesagt, dass, wenn ein Film Erfolg hat, ich immer von 'unserem Film' spreche, weil wir ihn gemeinsam gemacht haben: die Schauspieler, der Drehbuchautor, die Kameraleute, die Tonassistenten, die Beleuchter und ich. Wenn ein Film misslungen ist, sage ich immer: 'Das ist mein Film', weil ich ja mit anderen Schauspielern arbeiten oder ein anderes Thema wählen hätte können: Alle Fehler - das bin ich, alle Erfolge - das sind wir", betont der Altmeister.
Teamwork ausschlaggebend
Laut Andrzej Wajda ist der Regisseur nicht der einzige Schöpfer des Films, sondern ein Produkt aller Menschen, die mit dem Regisseur zusammenarbeiten: "Wenn meine Mitarbeiter nicht spüren, dass es jemanden gibt, der alles steuert, dann arbeiten sie auch nicht intensiv", meint er. Der Regisseur müsse auch genau sehen, ob das Team seine Idee genau realisiert oder ob das Team seine eigenen Ideen verfolgt:
"Wenn der Regisseur nur seine eigene Idee sieht und nur auf den Bildschirm schaut, dann kennt er nur die halbe Wahrheit. Das Gefühl der Gemeinschaft ist sehr wichtig. Das ist das, was die größte Chance bietet, einen guten Film zu machen. Der Film entsteht in unserem gemeinsamen Bemühen und Willen, etwas Neues zu schaffen, was einmalig sein wird, was niemand vor uns gemacht hat, nur wir", ist Wajda überzeugt.
Der Regisseur ist erster Zuschauer
"Ein wahrer Erfolg ist, wenn ein Film die Erwartungen der Zuschauer trifft. Wenn ich im Kino sitze, dann schaue ich mit einem Auge auf die Leinwand und mit dem anderen beobachte ich, wie die Zuschauer reagieren. Wenn die Zuschauer das Gleiche empfinden wie ich, dann bin ich zufrieden", sagt Wajda und zieht dabei einen Vergleich:
"Ein Film im Fernsehen ist etwas Egoistisches. Vor dem Bildschirm höre ich keinen Applaus, sehe keine Reaktionen. Wenn ich einen Film mache, dann bin ich davon überzeugt, dass ich der erste Zuschauer dieses Filmes bin, eines Filmes, auf den man wartet. Und wenn es sich dann bestätigt, dass der Film gut gemacht wurde, dann fühle ich mich bestätigt, empfinde Genugtuung".
Gedanken über die polnische Filmindustrie
Für Andrzej Wajda befinden sich die Filmemacher in Polen derzeit in einer schwierigen Situation. Heutzutage - so der Regisseur - sei man der Meinung, Filmproduktionen sollten nicht nur vom Staat finanziert werden, sondern auch von denjenigen, die daraus Gewinn schlagen wie etwa private TV-Stationen oder Kabelfernseh-Betreiber, die für hohe Einschaltquoten sorgen sollen. Für Filmproduktionen würden kaum finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Interessante Themen könnten daher nur als billige Fernsehfilme produziert werden:
"Wir polnischen Regisseure wollen aber, dass Filme auf der Leinwand im Kino gezeigt werden. Wir wollen wieder die polnische Jugend dazu gewinnen, sich Filme im Kino anzuschauen. Diese Filme müssen selbstverständlich auch die Probleme zeigen, die für Jugendliche relevant sind. Daher haben wir vor kurzem neue Gesetze erkämpft und hoffen, dass den polnischen Filmemachern künftig mehr Geld zur Verfügung stehen wird".
Zukunft schon verplant
Trotz der vielen Auszeichnungen ist sein Lebenswerk nach eigenen Worten noch längst nicht abgeschlossen. Die jüngste Filmproduktion mit dem Titel "Post Mortem" ist bereits in Arbeit. Sie hat das Massaker von Katyn zum Thema, wo 1939 von der Roten Armee etwa 22.000 polnische Offiziere und Soldaten gefangen genommen und anschließend getötet wurden. Der Film soll laut Wajda ein Beitrag für die Vergangenheitsbewältigung werden, von der auch er persönlich betroffen ist, weil in Katyn auch sein Vater ums Leben gekommen ist.
Jener Film ist aber nicht das einzige Projekt, das Andrzej Wajda demnächst in Angriff nehmen wird. Auf seinem Programm stehen auch weitere Theaterproduktionen in Polen und Sankt Petersburg: "Wenn ein Mensch arbeitet, dann ist er auch gesünder und wird nicht so schnell alt. Davor habe ich die meiste Angst. Ich habe Angst, ein alter Mann zu werden", überspielt er seinen kurz bevorstehenden 80. Geburtstag.
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 5. März 2006, 14:05 Uhr
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Andrzej Wajda