Der Unterschied zwischen O und 0
Bildschirmschrift
Sprachen wie PostScript oder ClearType wurden erfunden, um nicht nur das Erscheinungsbild einer gedruckten Seite zu verbessern, sondern auch das Schriftbild am Monitor. Eigens für den Bildschirm entworfene Schriften gibt es aber noch recht wenig.
8. April 2017, 21:58
Im Gegensatz zur Papierwelt ist Schrift am Bildschirm immer noch eine Herausforderung. Die wurde nicht kleiner, sondern immer größer, klagen kommerzielle Schriftsetzer über ihre Arbeit. Sprachen wie PostScript, TrueType und seit kurzem ClearType wurden erfunden, um nicht nur das Erscheinungsbild einer gedruckten Seite zu verbessern, sondern auch das Schriftbild am Monitor.
Jedoch eigens für den Bildschirm entworfene Schriften, gibt es erstaunlicherweise noch recht wenig, erzählt Jürgen Siebert, der es eigentlich wissen müsste, den er ist Vorstand des Schriftversandthauses Fontshop AG in Berlin.
Als die Maschine das Maß aller Dinge war
Seit den 40er Jahren gibt es Bildschirme. Für viele eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen Mensch und Computer. Als man sie noch "Datensichtgeräte" nannte, funktionierten sie nach dem Prinzip der Fernsehanzeige. Texte wurden entweder schwarz/weiß, grün/schwarz oder schwarz/orange angezeigt.
Heute sieht man diese Farbgebung nur mehr, wenn man sich weiter vorwagt als zu Word und ein Shell-Fenster öffnet. Dort ist auch ein Font namens "Terminal" noch gebräuchlich. Der fällt schon allein deswegen auf, weil dessen Null mit einem Querbalken dargestellt wird. Einfach um die Ziffer besser vom Buchstaben O (oh) zu unterscheiden.
Das Thema wurde schon in den 1960er Jahren in diversen Standardisierungsgremien und unter Schriftsetzern heftig diskutiert, denn die eindeutige Zuordnung von Zeichen ist bei der maschinellen Informationsverarbeitung unumgänglich. Solange Schrift nur eine visualisierte Kommunikationsform der Menschen war, kamen Schreibmaschinen auch ohne Null und Eins aus.
Ein "Typebar Page Printer" aus dem Jahre 1903 hatte zum Beispiel 36 Zeichen und verwendete für die Zahl Null den Buchstaben O und für die Eins ein großes I.
Der Mensch soll damit leben
Liest man über die ersten Versuche den Elektronenrechnern Schrift beizubringen, dann bekommt man schnell den Eindruck, dass sehr viel und sorgfältig daran gefeilt wurde. Man tat alles, um der Maschine das Lesen zu erleichtern. Über den Menschen und sein Sehvermögen, schien man sich hingegen lange Zeit kaum Gedanken zu machen.
Schriftentwerfer beschweren sich gerne darüber, dass die Ingeneure der ersten Stunde kein ästhetisches Gespür für Schrift gehabt hätten. Denn nur so sei es erklärbar, dass eine Schrift wie die Helvetica weltweit eine derartige Verbreitung findet.
Die Lesbarkeit, so Jürgen Siebert, hat nicht immer etwas mit der Form zu tun, sondern ist auch eine Frage des Bildschirms und des Betriebssystems. Eine Schrift die im Windowsbetriebssystem gut aussieht, muss nicht notwendigerweise im Mac Betriebssystem gut aussehen.
Unterschiedliche Bedürfnisse
Früher war alles noch schlimmer, erzählte einmal Bob Bemer in einem Interview. Er war maßgeblich an der Standardisierung von Ascii (American Standard Code for Information Interchange) beteiligt. Früher, so sagte er, gab es 60 verschiedene Arten, wie das lateinische Alphabet abgebildet wurde, damit es von der Maschine auch identifiziert werden konnte.
Das amerikanische Militär hatte seine eigenen Methode, um den Unterschied zwischen dem Buchstaben Z und der Ziffer 2 zu markieren: Er bekam einen Strich in der Mitte verpasst. Die Deutschen hielten davon wenig, denn für sie konnte die Zwei dadurch zu leicht mit der Sieben verwechselt werden.
Null und Oh schrieb IBM anders als die englischen Computerhersteller. Manche bevorzugten den Unterstrich, den Querstrich oder dem Punkt im Bauch des Buchstabens. Andere wiederum fanden, diese Methode passe besser zur Ziffer Null.
Obwohl Ascii bereits 1963 zum Standard erklärt wurde, gab es diese Diskussionen auch noch fünf Jahre später. Zumindest fasste Bob Bemer 1967 die Meinungen in einem Report zusammen, den er den Titel gab: "Viel Geschrei um Nichts und einen Buchstaben. Ein Dossier zur Unterscheidung zwischen einer handgeschriebenen Null und einem Oh."
Heute kann zwar kaum mehr jemand schön und deutlich mit der Hand schreiben, dafür diskutiert man - dank Unicode - über die Unterscheidung von mehr als 60.000 Zeichen.
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 5. März 2006, 22:30 Uhr
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History Of Teletype
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