Biografie des ehemaligen UNO-Generalsekretärs

Kofi Annan

Kofi Annan ist der erste UNO-Generalsekretär, der bereits während seiner Amtszeit den Friedensnobelpreis erhalten hat. Trotzdem wird an ihm deutlich, wie sehr der Chef der UNO zwischen Machtlosigkeit und moralischer Autorität hin und her schlingert.

Obwohl "FAZ"-Journalistin Friederike Bauer ihn wohlwollend zu porträtieren versucht, kann Kofi Annan zunächst kaum die Sympathie des Lesers gewinnen. Vielmehr bestätigen sich anhand seiner Biografie all die Vorurteile, die kritische Beobachter dem typischen UNO-Mitarbeiter entgegen bringen, zum Beispiel unter dem Deckmantel des Idealismus in erster Linie an der eigenen Karriere interessiert zu sein.

Alle Stufen der UNO-Hierarchie erklommen

Wie praktisch alle UNO-Mitarbeiter aus Entwicklungsländern repräsentiert Kofi Annan auch nicht die Mittelschicht, sondern die Elite seines Landes. Er wird 1938 in der britischen Kolonie Goldküste geboren. Als Angehöriger des Adels erhält er eine privilegierte Ausbildung und erlebt die Unabhängigkeit Ghanas 1957 im Internat.

Kofi verfolgt die Geschehnisse um sich herum sehr genau, an den Umwälzungen beteiligt ist er jedoch nicht. Er gehört auch keiner politischen Partei an.

Annan beginnt zunächst in Ghana das Studium der Volkswirtschaftslehre, das er in den USA fortsetzt, um anschließend für zwei Jahre in Genf internationale Politik zu studieren. Er erlebt dort die Euphorie, die mit den Unabhängigkeitsbewegungen und dem Aufstreben der Dritten Welt einhergeht. Er beginnt bei der Weltgesundheitsorganisation, der WHO, als Verwaltungs- und Finanzfachmann. Im Laufe seiner mehr als 40-jährigen Dienstzeit wird er alle Stufen der UNO-Hierarchie erklimmen.

Wie gewöhnlich arbeitet er zuverlässig und gut, aber nicht auffällig oder herausragend. Er wird in seinem unmittelbaren Umfeld geachtet, doch als "Shootingstar" der Vereinten Nationen gilt Annan nicht, vielmehr klettert er unauffällig, Stufe um Stufe, nach oben.

Probleme mit Friedensoperationen

1992 ernennt ihn Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali zum beigeordneten Generalsekretär für Friedensoperationen. Nach dem Ende des kalten Krieges herrscht in dieser Abteilung Aufbruchsstimmung. Die UNO-Mission in Kambodscha verläuft zufrieden stellend, doch es folgen Rückschläge. Aus der "Operation Restore Hope" 1992 in Somalia, die in Annans Dienstzeit fällt, wird ein Fiasko. Und es soll noch viel schlimmer kommen.

Im Frühjahr 1994 werden beim Völkermord in Ruanda in nur 100 Tagen etwa 900.000 Menschen brutal abgeschlachtet. Bereits drei Monate vor dem Beginn des Blutbades erhalten Kofi Annan und seine Mitarbeiter ein ausführliches Fax, in dem die spätere Katastrophe detailliert vorausgesagt wird, das so genannte Völkermord-Fax des kanadischen Generals Dallaire. In diesem Moment zeigt sich, dass Annan im Grunde ein vorsichtiger UNO-Verwaltungsfachmann geblieben ist, der in seinem klimatisierten New Yorker Büro Menschen für sich einnehmen kann, dem aber in Krisensituationen der Mut fehlt, politische Verantwortung zu übernehmen.

September 1995, nur ein Jahr später: Noch immer ist Kofi Annan Chef der Friedensoperationen, als sich im bosnischen Srebrenica die nächste beschämende Niederlage der Blauhelme ereignet. Unter den Augen der niederländischen UNO-Truppen werden über 7.000 Moslems von bosnischen Serben brutal getötet. Obwohl die verunglückten Friedensoperationen unter der Verantwortung Kofi Annans standen, schadet das seinem weiteren Fortkommen nicht, was ihm den Spitznamen "Teflon" beschert.

Who wants Kofi?

Steigbügelhalterin auf dem Weg in den Generalsekretärssattel war die damalige amerikanische UNO-Botschafterin Madeleine Albright. Sie schätzt seine konziliante Art, die ihn vom sehr viel mehr politischen und Amerika-kritischen Boutros-Ghali unterscheidet. Seine Wahl gestaltet sich dennoch mühsam, weil Paris sich einen Vertreter des frankophonen Afrika wünscht. Zu seiner Wahl erzählt man sich eine nette Anekdote.

Mitten in einer der vielen quälenden Sitzungen des Sicherheitsrats fragt Madeleine Albright: "Who wants coffee?" - "Wer möchte Kaffee?" Als alle spontan die Hand heben, ist die Frage geklärt und Annan gekürt.

Friedensnobelpreis 2001

Als Generalsekretär versucht Annan, aus seinen früheren Fehlern zu lernen. Geschätzt wird er wegen seines Einsatzes für Afrika, für den Kampf gegen Armut und Aids. Die Zuerkennung des Friedensnobelpreises im Dezember 2001 dürfte wohl weniger durch seine persönlichen Leistungen motiviert worden sein als durch seine Position im internationalen Gerangel um den Irak.

Im Gegensatz zur Washingtoner Regierung steht seine Organisation für eine friedliche Abrüstung im Irak durch weitere Inspektionen.

In der Sicherheitspolitik ist Annan allerdings kein Erfolg vergönnt. Im Gegenteil. Auch die moralische Rückdeckung durch das Nobelpreiskomitee kann nicht verhindern, dass George Bush seinen Kriegskurs durchsetzt, und Annan damit eine schwere Niederlage bereitet.

Biografie mit Weichzeichner

Friederike Bauer hat ein lesenswertes Buch geschrieben, das viele Einblicke in die internationale Politik und die relative Machtlosigkeit der Vereinten Nationen bietet. Als Biografie bleibt das Buch jedoch blutleer, was vielleicht daran liegt, dass Annan seiner Biografin nur wenig Zeit gewährte. Laut Anhang waren es gerade zwei Gespräche und zwei Kurzinterviews. Wollte Kofi Annan kein detaillierteres Bild von sich zeichnen lassen? Vieles spricht dafür. So bleibt z.B. in seiner offiziellen Biografie seine erste geschiedene Ehe unerwähnt. Der Mann der sanften Töne scheint auch den Blick mit dem Weichzeichner zu lieben. Ein zu genaues Hinsehen scheint seinem Image eher zu schaden.

Hör-Tipp
Kontext, jeden Freitag, 9:05 Uhr

Download-Tipp
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Buch-Tipp
Friederike Bauer, "Kofi Annan. Ein Leben", S. Fischer Verlag, ISBN 3100096479