Ein vielseitiger Tenor mit kurzer Karriere

In memoriam Ludovic Spiess

Ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre galt er als einer der neuen Star-Tenöre: Ludovic Spiess, der im Vormonat im Alter von 68 Jahren plötzlich verstarb. Spiess, der 1968 an der Staatsoper debütierte, war damals auch oft in Wien zu hören. Ein Nachruf.

Er zählte ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre als einer der neuen Star-Tenöre: Der rumänische Tenor Ludovic Spiess, der am 29. Jänner dieses Jahres im 68. Lebensjahr völlig überraschend verstorben ist.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie Karl Löbl damals in seinem jahrzehntelangen Ö1 Dauerbrenner "Lieben Sie Klassik?" zwei neue Tenöre vorstellte, von denen gerade erste Arien-Platten erschienen waren: einer davon war Placido Domingo, der andere Ludovic Spiess.

Zutreffende Löbl-Prophezeiung

Beiden prophezeite Löbl große Karrieren - und er hat Recht behalten, wenn sich diese beiden Karrieren auch völlig unterschiedlich entwickelten:

Domingo ist bis heute ein gefeierter Weltstar, Spiess musste leider frühzeitig aufgeben, brachte es in seiner Heimat aber immerhin bis zum Minister.

Vielseitiges Repertoire

Auf seiner ersten Arien-Platte demonstrierte Ludovic Spiess seine Vielseitigkeit - so ist er darauf u. a. als Hüon in Webers "Euryanthe", ebenso als Tamino in der "Zauberflöte", als Siegmund in der "Walküre", im "Lohengrin, als Radames, Othello, Kalaf, als Cavaradossi, aber ebenso in Verdis "Luisa Miller" und in Cileas "Adriana Lecouvreur" zu hören.

Als Karl Löbl damals diese Platte präsentierte und mit jener seines Tenor-Kollegen Placido Domingo verglich, lag auch beider Staatsopern-Debüt sozusagen in der Luft: Domingo debütierte als Don Carlos im Mai 1967, Ludovic Spiess nur wenig später als Radames in "Aida" Anfang März 1968.

Mit Pult-Stars wie Leonard Bernstein ...

Die internationale Opernwelt hat das neue Talent rasch vereinnahmt. Am besten demonstrieren lässt sich dies mit zwei Musikbeispielen, die Ludovic Spiess damals unter Leitung der beiden Pult-Superstars dieser Jahre aufgenommen hat - nämlich mit Leonard Bernstein und Herbert von Karajan.

Im März 1970 sang Spiess den Florestan in Beethovens "Fidelio" bei der RAI in Rom unter Leonard Bernstein mit Birgit Nilsson als Leonore. Der Florestan sollte übrigens später auch seine meistgesungene Partie an der Wiener Staatsoper werden.

... und Herbert von Karajan

Bernsteins großer Antipode Herbert von Karajan hat Ludovic Spiess noch früher entdeckt:

Bereits 1967 finden wir ihn in Karajans "Boris"-Inszenierung bei den Salzburger Festspielen und dann ebenso bei seiner opulenten Plattenversion, die er zusammen mit den Wiener Philharmonikern im November 1970 in den Wiener Sofiensälen einspielte. Auch damals war eine der großen Primadonnen dieser Jahre, Galina Wischnewskaja, die Partnerin von Spiess.

"Dalibor"-Premiere an der Staatsoper

Bereits 1969 vertraute man Spiess an der Wiener Staatsoper sogar eine Premiere an, und zwar Smetanas "Dalibor", für die Tschechen als Freiheitsoper ähnlich bedeutend wie für uns "Fidelio", allerdings ohne dessen glücklichen Ausgang.

Ludovic Spiess sang damals die Titelpartie, die weiblichen Rollen waren mit den beiden Schwestern Leonie und Lotte Rysanek besetzt. Am Pult stand mit Josef Krips ein würdiger Nachfolger von Gustav Mahler, unter dessen Leitung "Dalibor" 1897 zum ersten Mal im Haus am Ring erklungen war.

ORF-Produktion "Samson und Dalila"

Ohne Zweifel war Ludovic Spiess in Wien zu dieser Zeit sehr beliebt und auch der ORF engagierte ihn im Mai 1972 für eine konzertante Aufführung von Saint-Saens "Samson und Dalila".

Es spielte damals das ORF-Symphonieorchester unter der Leitung von Argeo Quadri, Marcel Praway führte durch diesen Abend im Großen Saal des Wiener Konzerthauses und keine geringere als Christa Ludwig sang die Dalila.

Beginn mit Operette

Ludovic Spiess wurde am 13. Mai 1938 in Cluj (Klausenburg) in Rumänien geboren, studierte auch in seiner Heimat und wandte sich zuerst eigentlich der Operette zu. Nebenbei gewann er damals aber auch mehrere internationale Preise und perfektionierte seine Gesangstudien auch noch in Mailand, um schließlich von der Operette zur Oper zu wechseln.

Ein Engagement nach Toulouse brachte ihn schließlich in den Blickpunkt der internationalen Opernwelt und Karajans Ruf nach Salzburg öffnete ihm dann endgültig die Pforten der wichtigsten Festivals und Opernhäuser in aller Welt einschließlich der Metropolitan in New York.

Nach kurzer Sänger-Karriere Minister

Doch allzu lange sollte seine große Karriere nicht dauern - nach nur knapp eineinhalb Jahrzehnten machten seine Stimmbänder nicht mehr mit. In der Folge übernahm er die Leitung des Internationalen Enescu-Festivals und wurde im Oktober 1991 der erste Kulturminister des nachrevolutionären Rumänien.

Und in weiterer Folge wurde Ludovic Spiess schließlich Chef der Nationaloper von Bukarest. Dabei war ihm allerdings weniger Glück beschieden als seinem Landsmann in dieser Funktion an der Wiener Staatsoper. Am 29. Jänner ereilte den passionierten Jäger während einer Jagdpartie inmitten seiner geliebten rumänischen Wälder völlig überraschend der Herztod.

Hör-Tipp
Apropos Oper, Dienstag, 21. Februar 2006, 15:06 Uhr

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