Geheimnisse der Materie

Magische Quantentrios und Ionenfallen

Acht Physiknobelpreisträger der letzten 16 Jahre kamen aus dem Bereich der Atomphysik. Die eindrucksvolle Liste verdeutlicht den aktuellen Stellenwert der Atomphysikforschung. Denn sie erkundet die Geheimnisse der Materie.

Dass die wichtigste Konferenz in der Atomphysik heuer in Innsbruck stattgefunden hat, ist für den "Mr. Atomphysik" Daniel Kleppner vom MIT in Massachusetts keine Überraschung. Schließlich schuf Rudolf Grimm in Innsbruck die ersten Bose-Einstein-Kondesate aus ultrakalten Molekülen, Peter Zoller lieferte wegweisende theoretische Konzepte für den zukünftigen Quantencomputer und Rainer Blatt schuf in Ionenfallen das erste Quantenbyte.

Das Bose-Einstein-Kondensat

Wenn man Materie fast bis zum absoluten Temperatur-Nullpunkt von -273 Grad Celsius abkühlt, zeigen die Atome eine interessante Quanteneigenschaft: Die Bausteine der Materie sammeln sich im niedrigst möglichen Energiezustand an, geben dabei ihre Teilcheneigenschaft auf und verschmelzen zu einer Art Superatom, das nun Welleneigenschaften zeigt.

Voraussetzung für dieses quantenkohärente Auftreten war bisher allerdings, dass es sich bei dieser kondensierten Materie um Bosonen handelte, Materieteilchen mit ganz zahligem Spin. Vor mehr als 10 Jahren gelang dem deutschen Physiker Wolfgang Ketterle aus Natriumatomen die erste Herstellung eines solchen "Bose-Einstein-Kondensats". Dafür wurde der Physiker 2001 mit dem Physiknobelpreis ausgezeichnet. Mittlerweile gelang ihm die Herstellung dieses kondensierten Materiezustandes auch mit Fermionen, also Teilchen mit einem halbzhaligem Spin.

Die fünfte Erscheinungsform der Materie

Das so genannte Bose-Einstein-Kondensat (BEC) gilt neben den drei klassischen Aggregatszuständen - fest, flüssig, gasförmig - und Plasma als fünfte eigenständige Erscheinungsform der Materie. In diesem Zustand haben die Teilchen die Eigenschaft der Suprafluidität

Da Suprafluidität nichts anderes ist als Supraleitung von geladenen Elektronen, und Elektronen Fermionen sind, ist das große technologische Fernziel von Wolfgang Ketterles Experimenten die Realisierung eines Hochtemperatur-Supraleiters. In gewisser Weise stellt sein Fermi-Gas schon ein erstes Modell dar, wie Elektronen Strom widerstands- und verlustfrei transportieren können.

Der Efimov-Zustand

Eines der größten Geheimnisse der Quantenmechanik ist ein Materiezustand, der nach dem russischen Physiker Vitali Efimov benannt ist. Er sagte vor 36 Jahren voraus, dass sich drei Atome unter bestimmten Bedingungen zu einem magischen, von eigenartigen Quantenkräften verbundenen Trio vereinen können.

Nach 36 Jahren gelang es nun erstmals Innsbrucker Experimentalphysikern in der Gruppe von Rudolf Grimm diesen Efimov-Zustand auch im Experiment zu beobachten. Ein bedeutendes Resultat, weil man annimmt, dass Efimov-Zustände universellen Charakter haben.

Als nächsten wollen die Innsbrucker Experimentalphysiker die Kontrolle über die Efimov-Zustände verbessern. Die drei Atome sollen separat eingefangen und das magische Quantentrio gezielt hergestellt werden.

Ionenfallen - der Weg zum Quantencomputer?

Als zukunftsträchtiges Konzept gelten heute in der Atomphysik so genannte Ionenfallen. Dabei werden einzelne Ionen, also geladene Atome, in einem elektrischen Feld gefangen und fast bis auf den absoluten Temperaturnullpunkt abgekühlt. Die gefangenen Ionen werden durch einen Laserstrahl in Schwingungen versetzt, es kommt zur quantenmechanischen Verschränkung, dadurch beginnen die Ionen ihr Rechenwerk.

Die Idee stammt von Peter Zoller, einem der weltweit führenden Theoretiker auf dem Gebiet der Quanteninformatik. Die zugehörigen Experimente werden in Innsbruck von Rainer Blatt durchgeführt.

Acht Ionen-Quibits konnte der experimentelle Physiker Blatt vor einem halben Jahr in Innsbruck miteinander koppeln, und mehrere Sekunden lang von allfälligen Störungen abschirmen. Das ist in der Quantenphysik eine halbe Ewigkeit.

Mit einem Quantencomputer bestehend aus 32 Qubits ließen sich bereits vier Milliarden Werte berechnen. Rein theoretisch würden schon 50 Atome genügen, um die versammelte Rechenleistung aller existierender Computer zu übertreffen. Und 300 Atome vollbringen mehr Rechenschritte als es Atome im Universum gibt.

Noch ist es aber nicht so weit, schränk David Wineland von der Universität in Boulder die Erwartungen. Quantencomputer beherrschen im Moment nicht einmal das kleine Einmaleins.

Mehr zum Bose-Einstein-Kondensat in science.ORF.at

Hör-Tipp
Dimensionen, Montag, 24. Juli 2006, 19:05 Uhr

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Link
20. Jahreskonferenz der Atomphysiker
Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck
Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck