Die Schriftstellerin im Klassik-Treffpunkt

Barbara Frischmuth zu Gast

Die aktive Suche nach dem Anderen, die Offenheit gegenüber dem Fremden sind bestimmend für ihr Werk: Schriftstellerin Barbara Frischmuth, die heuer 65 wird. Immer wieder hat sich die in Altaussee geborene Autorin mit anderen Kulturen beschäftigt.

Die aktive Suche nach dem Anderen, die Offenheit gegenüber dem Fremden sind bestimmend für ihr Werk: die Schriftstellerin Barbara Frischmuth, die heuer ihren 65. Geburtstag feiert.

Frischmuth, die zahlreiche Romane und Erzählungen veröffentlicht und daneben auch Kinderbücher und Hörspiele geschrieben hat, ist diesmal bei Otto Brusatti live zu Gast im Ö1 Klassik-Treffpunkt im ORF-KulturCafe des RadioKulturhauses.

Land Steiermark kauft Vorlass

Was beim Grazer Schriftsteller Wolfgang Bauer versäumt wurde - nämlich sich frühzeitig um die Sicherung des Nachlasses für das Land zu kümmern - ist im Falle der Autorin, die auf rund 40 Bücher zurückblicken kann, gelungen: Im Dezember des Vorjahres wurde ein entsprechender Vertrag auf Übergabe des Vorlasses zwischen Frischmuth und Kulturlandesrat Kurt Flecker (SPÖ) unterzeichnet.

Ein entsprechender Grundsatzbeschluss wurde bereits im April 2004 von der steiermärkischen Landesregierung gefällt. Nun wird das Vorhaben in die Tat umgesetzt: "Die Übergabe des Vorlasses geht bereits los", hieß es aus dem Büro des steirischen Kulturlandesrates. Dabei handele es sich um "das, was sie jetzt nicht mehr braucht". Also: Manuskripte zu den Büchern, aber auch Korrespondenz sowie die Tagebuchaufzeichnungen der Schriftstellerin. Die Tagebücher würden jedoch bis zum Ableben der Schriftstellerin gesperrt bleiben.

Im Grazer Nabl Institut

Verwahrt werden diese Dokumente im Grazer Franz Nabl Institut. Durch den vorzeitigen Ankauf sollen sowohl die Manuskripte zu den Publikationen, aber auch Frischmuths Bibliothek sowie auch alle zukünftigen Materialien für das Institut gesichert werden.

Vermittlerin zwischen den Welten

Die aktive Suche nach dem Anderen, die Offenheit gegenüber dem Fremden sind bestimmend für das Werk der in Altaussee geborenen Autorin Barbara Frischmuth. Immer wieder hat sich die Mitbegründerin der Grazer Autorenversammlung mit anderen Kulturen auseinander gesetzt und auch ihre Stimme erhoben, wenn statt Verständigung und Toleranz Terroranschläge oder Kriege diese interkulturellen Beziehungen beherrschen. Im November des Vorjahres wurde Barbara Frischmuth mit dem Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz in Denken und Handeln ausgezeichnet.

"Entscheidend ist, dass es gelingt, den Blickwinkel des Anderen zu verstehen. Das gilt für die Beziehungen zwischen Menschen genau so wie zwischen Völkern", so Frischmuth einmal in einem APA-Interview. Als "Islam-Expertin" will Frischmuth, die Orientalistik, Türkisch und Ungarisch studiert hat, nicht gelten, doch sie betont: "Man kann aus dem Koran sehr viel an Toleranz herauslesen und auch sehr viel an Aggression - genauso viel wie aus dem Neuen Testament". Und die Autorin sprach sich für einen EU-Beitritt der Türkei aus: "Ich denke, es wäre eine ganz große Sache. Wenn das gelingen würde, würde die größte und schärfste Front, die es heute gibt, jene mit dem Islam, aufgelockert werden." Die ablehnende österreichische Haltung dazu fand sie "befremdlich und unnötig".

In Altaussee geboren

Barbara Frischmuth wurde am 5. Juli 1941 im Altaussee geboren. Ihr Vater fiel im Zweiten Weltkrieg in Russland, so wuchs sie bei ihrer Mutter auf, die einen Hotelbetrieb führte. Nach der Matura studierte sie Türkisch und Ungarisch in Graz, danach Orientalistik in Wien. Studienaufenthalte führten sie in die Türkei und Ungarn.

Die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen spiegelt sich in ihren Übersetzerarbeiten und in ihrem eigenen umfangreichen Werk wieder, sie widmet sich u. a. in "Die Entschlüsselung" dem Brückenschlag zwischen den Kulturen.

"Sternwieser"-Trilogie

Nach Büchern wie "Die Klosterschule" (1968), oder "Das Verschwinden des Schattens in der Sonne" (1973) erreichte Frischmuth in den 1970er Jahren mit ihrer "Sternwieser"-Trilogie eine größere Öffentlichkeit. Darin beschäftigte sie sich intensiv mit der Verflechtung von mythologischen Traditionen und heutigen weiblichen Lebenswelten.

In ihrer "Demeter"-Trilogie griff Frischmuth trotz Beibehaltung ihres Verfahrens der vielfältigen Bezüge zu alten Mythen höchst aktuelle Themen auf: Der auf die Erzählung "Herrin der Tiere" (1986) folgende Roman "Über die Verhältnisse" (1987) konnte - mit einem Bundeskanzler als zentrale literarische Figur - als Schlüsselroman gelesen werden, "Einander Kind" (1990) mit seinen darin enthaltenen Kriegs- und Nazi-Biografien als Aufarbeitung der Waldheim-Affäre. Herrschaftskritik ist einer der zentralen Aspekte von Frischmuths Schaffen. In den 1980er Jahren betätigte sie sich ausführlich als Übersetzerin von ungarischen Romanen, Hörspielen und Theaterstücken.

Auch Kinderbücher

Neben weiteren Erzählungen wie "Hexenherz" (1994) und Romanen wie "Die Schrift des Freundes" (1998; vom ORF verfilmt) schrieb Frischmuth immer wieder auch Kinderbücher - so u. a. "Donna und Dario" (1997), oder "Die Geschichte vom Stainzer Kürbiskern" (2000). In ihrem literarischen Gartenbuch "Fingerkraut und Feenhandschuh" (1999) versuchte sie, schriftstellerische und gärtnerische Passion zu vereinen.

Zahlreiche Auszeichnungen

Barbara Frischmuth ist Trägerin zahlreicher Literaturpreise, so erhielt sie u. a. den Anton-Wildgans-Preis, den Literaturpreis der Stadt Wien, den Ida-Dehmel-Literaturpreis sowie den Manuskripte-Preis.

Hör-Tipp
Klassik-Treffpunkt, Ö1, Samstag, 4. Februar 2006, 10:05 Uhr

CD der Woche
Grigory Ginzburg, Live Recordings, Euromusica, VACD 00101 ff

Links
Literaturhaus Wien - Barbara Frischmuth
Karl-Franzens-Universität Graz - Franz Nabl Institut
Grazer Autorenversammlung
radiokulturhaus.ORF.at