Frantisek Janouch: Tscheche, Schwede, Weltbürger
Es geht nicht ohne Demokratisierung
Als ehemaliger Berater von Vaclav Havel zählt Frantisek Janouch zu den dominierenden Persönlichkeiten des Prager Frühlings. Er ist auch Mitbegründer und Vorsitzender der Charta 77. Derzeit koordiniert er eine tschechisch-österreichische Energie-Expertengruppe.
8. April 2017, 21:58
Der Atomphysiker über China einst und jetzt
Als Berater von Vaclav Havel zählt der Atomphysiker Frantisek Janouch zu den dominierenden Persönlichkeiten des Prager Frühlings. 1974 erhielt er in seinem Exil in Schweden eine Professur und wurde Mitbegründer der Charta 77.
Neben zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten veröffentlichte das P.E.N.-Clubmitglied auch viele Bücher, darunter über China oder den Nobelpreisträger Andrej Sacharow, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband. Derzeit koordiniert er u. a. eine tschechisch-österreichische Energie-Expertengruppe, die von den Regierungen beider Staaten eingerichtet wurde.
Freiheit muss man sich täglich erobern
"Wissenschaftler müssen alles tun, damit die Handlungen von Regierungen und Politikern von allgemein menschlichen und weniger von politischen, nationalen oder klassenmäßigen Interessen bestimmt werden", sagt der Atomphysiker und zitiert in seinem Buch "Nein, ich beschwere mich nicht" Niels Bohrs Ideen mit dem Aufruf: "Man kann keine freie Welt verwirklichen, ohne die grundlegenden Menschenrechte zu respektieren, ohne eine tiefgreifende Veränderung der Gesellschaft".
Frantisek Janouch studierte technische Physik in Leningrad. Im Zuge seiner Ausbildung hat er auch den Physiker und Dissidenten Andrej Sacharow kennen gelernt. Sacharow hatte in seiner Grundsatzschrift "Gedanken über Fortschritt, friedliche Koexistenz und geistige Freiheit" das Faust-Zitat "Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss" zu seinem Lebensmotto erhoben. Dieses Motto hat Frantisek Janouch auch zu seinem gemacht, als er sich 1968 enttäuscht vom kommunistischen System abwandte.
Befürworter der Atomenergie
Für Frantisek Janouch ist es klar, dass man sich künftig verstärkt erneuerbaren Energiequellen zuwenden wird. Dennoch ist für ihn Atomenergie derzeit die einzige Möglichkeit, den Treibhauseffekt einzudämmen. Und er zitiert Pierre Curie, der bereits vor mehr als 100 Jahren davon überzeugt war, dass der Nutzen seiner Entdeckungen größer sein werde als die damit verbundenen Gefahren. Die Wissenschaft und besonders die Physik müsse - so ist er überzeugt - eine besondere Verantwortung übernehmen: "Physiker haben den Politikern die Macht gegeben, die Menschheit zu vernichten. Daher haben sie ein tiefes Verantwortungsgefühl", betont er.
Die Katastrophe in Tschernobyl bezeichnet Janouch nicht nur als technischen Super-Gau, sondern vor allem als eine politische Katastrophe: "Verbunden mit der Agrarkrise in der Sowjetunion, bei der die Kolchosen zu wenig produziert haben und Lebensmittelimporte nötig waren, war damals fossile Energie einziger Exportartikel: Öl fürs Ausland, Kernenenergie für Russland war die Devise. Man nahm die unsicheren militärischen Graphitreaktoren. Dies könnte in einer pluralistischen Gesellschaft nicht geschehen. Auch die Verteilung von Jod - obwohl vorhanden - funktionierte nicht".
Erinnerungen an den Prager Frühling
Der ehemalige Assistenz-Professor an der Karls-Universität in Prag verlor nach dem Prager Frühling seine Professur und wurde 1969 arbeitslos und mit einem Publikationsverbot belegt. Erst 1974 wurde ihm erlaubt, die damalige Tschechoslowakei zu verlassen. Er erhielt eine Einladung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm für eine Gastprofessur. Seit damals lehrte und forschte er am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen und am Forschungsinstitut für Physik in Stockholm. Seine Professur hatte er bis 1996 inne.
In seinen Erinnerungen beschreibt der Wissenschaftler manchmal auch anekdotenhaft, wie es ihm in der Tschechoslowakei nach dem sowjetischen Einmarsch ergangen ist: "Bei einer Polizeikontrolle wurde ich von den Beamten gefragt, warum in meinem Ausweis kein Stempel des Arbeitgebers enthalten sei. Ich antwortete, dass ich arbeitslos wäre, und wurde gefragt: "Hat Ihnen 1968 die Karriere verdorben? Waren Sie ein Anhänger Dubceks? "Furchtbar, was da vor sich geht, meinte der eine zum anderen; "solche Leute lässt man ohne Arbeit. Er gab mir die Dokumente zurück, drückte meine Hand und sagte: "Mein Herr, Sie können weiterfahren. Und seien Sie vorsichtig. Viel Glück...
Demokratischer Wandel unumgänglich
"Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus ist leichter als umgekehrt", sagt heute der ehemalige Berater von Vaclav Havel und Mitbegründer der Charta 77, die er von seinem Exil in Schweden aus international unterstützte und deren Vorsitzender er noch heute ist.
International orientiert war Frantisek Janouch schon immer: Während seiner Studienzeit in Moskau zum Beispiel hatte er intensive Kontakte mit chinesischen Studenten. Er ist auch davon überzeugt, dass es auch in China zu politischen Umwälzungsprozessen kommen werde: "Es geht nicht ohne Demokratisierung, ohne Öffnung nach außen", meint der inzwischen 75-Jährige überzeugt.
Das wichtigste Menschheitsproblem
Derzeit ist der Wissenschaftler u. a. in einer tschechisch-österreichischen Arbeitsgruppe für Energiefragen tätig. Und obwohl es bei den Politikern und Bürgern beider Nachbarstaaten immer wieder sachliche und emotionale Konflikte über die Nutzung der Atomkraft gebe, sei das Gesprächsklima unter den Expertenteams sehr positiv, betont er.
Die derzeitige Energiekrise bezeichnet er als wichtigstes Problem der Menschheit. Bei seinen Bemühungen um Lösungen versucht er immer wieder, den Dingen auf den Grund zu gehen, auch sich selbst gegenüber logisch zu argumentieren. Sein Leben aber ist begleitet von einem Wunsch, der auf einer anderen Ebene als der Logik beheimatet ist: Er möchte Positives für die Menschen leisten.
Für seine wissenschaftlichen Entdeckungen habe er sich politisch engagiert; deshalb sei er auch Wissenschaftler geworden. Er sieht da und dort auch Erfolge, obschon er bei der Beschreibung dessen, was er dazu wissenschaftlich beigetragen hat, sehr bescheiden bleibt: "Nicht viel. Ein wenig habe ich zum Verständnis der Kernspaltung beigetragen, vielleicht einen Millimeter oder ein Mikron".
Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 29. Jänner 2006, 14:05 Uhr
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