Europäische Gesundheitssysteme - Teil 1

Medizinische Versorgung in Österreich

Das Gesundheitssystem in Österreich gilt europaweit als vorbildlich. 98 Prozent der Bevölkerung sind sozialversichert, haben also Anspruch auf die bestmögliche medizinische Versorgung. Unser Gesundheitssystem steht aber vor beträchtlichen Problemen.

Zwei Themen sind es vor allem, mit denen sich Gesundheitspolitiker, Hauptverband der Sozialversicherungsträger, medizinisches Personal, ärztliche Standesvertretung, aber auch die Patienten als Nutznießer und Zahler im Österreichischen Gesundheitssystem auseinandersetzten müssen.

Da ist zum einen die so genannte Schnittstellenproblematik, das bedeutet, dass an der Grenze zwischen ambulantem und stationärem Bereich durch unzureichende Organisation und mangelnde Kommunikation viel Geld verloren geht.

Da ist zum anderen die sich nach oben hin stetig verbreiternde Bevölkerungspyramide, sprich: Immer mehr Menschen werden immer älter und benötigen dadurch immer mehr Leistungen aus dem Gesundheitssystem. Auch dies will zukünftig finanziert sein.

Duale Organisation

Zur Schnittstellenproblematik: Traditionell ist Österreichs Gesundheitssystem dual organisiert. Der so genannte niedergelassene Bereich, das sind alle Ärzte und Fachärzte mit eigener Praxis und die Ambulatorien, wird über die Beiträge an die Sozialversicherung, die Krankenkassen finanziert. Aus diesen Geldern wird vom medizinischen Personal bis zu den Kosten für verordnete Medikamente alles bezahlt.

Der stationäre Bereich dagegen, also alle Krankenhäuser und Pflegeheime, wird aus Steuermitteln der Länder finanziert.

Wer zahlt was?

Wird also beispielsweise ein Medikament im Krankenhaus verordnet, werden die Kosten dafür aus Steuermitteln finanziert. Verordnet dagegen ein niedergelassener Arzt in der Ordination seinem Patienten ein Medikament, wird dieses Medikament aus Beiträgen an die Sozialversicherungen finanziert.

Aufgrund dieser dualen Finanzierung kommt es nicht selten auch zu Skurrilitäten, wie nachfolgendes Beispiel zeigt: Patientin A. entdeckt am Unterarm ein verdächtiges Gewächs. Sie sucht ihren Arzt auf, der sich fast vollkommen sicher ist, dass es sich um eine harmlose Warze handelt und eine Salbe verordnet, die das Gewächs rasch zum Verschwinden bringen sollte. Das Medikament ist chefarztpflichtig. Die Patientin geht also zum Chefarzt, die Bewilligung wird, ohne Angaben von Gründen abgelehnt

Die Patientin begibt sich daraufhin in ein Krankenhaus, um das Gewächs, das sich im nachhinein tatsächlich als harmlos herausstellt, entfernen und histologisch untersuchen zu lassen. Kosten für das Medikament: etwa 30 Euro. Kosten für den zweitägigen Krankenhaus-Aufenthalt: mehrere 100 Euro. Die Sozialversicherung ist allerdings in diesem Fall entlastet - sie muss die Kosten für das abgelehnte Medikament nicht tragen - die Kosten muss jenes Bundesland aufbringen, in dem das Krankenhaus beheimatet ist, in diesem Fall war das Niederösterreich.

Wo einsparen?

Solche Beispiele gibt es viele, die Möglichkeit, sinnvolle Einsparungsmöglichkeiten zu treffen, ebenfalls. Aufgrund der dualen Finanzierung von Österreichs Gesundheitssektor wird über derartige Einsparungsmöglichkeiten nicht gesprochen - vielmehr wird gerne nach dem Florianiprinzip gehandelt, was nicht selten dazu führt, dass Patienten zu vielen verschiedenen Anlaufstellen geschickt werden, dass es zu Doppeluntersuchungen (niedergelassener Arzt, Krankenhaus) und Doppelbefundungen kommt.

Höhere Kosten

Ein zweites Problem im Gesundheitsbereich ist die stetig steigende Lebenserwartung der Bevölkerung. Heute leben in Österreich rund 1,7 Millionen Personen über 60 Jahre. Im Jahr 2041 werden es fast drei Millionen sein. Gleichzeitig nehmen die Beitragsleistung zur Sozialversicherung, in die Arbeiter, Angestellte und freiberuflich Tätige Beiträge in unterschiedlicher Höhe einzahlen, immer mehr ab.

Das hat einen einfachen Grund: Die arbeitstätige Bevölkerung wird immer geringer, die Zahl der Pensionisten dagegen steigt stetig an. Damit steigen auch die Kosten für medizinische Versorgung und für Pflegeeinrichtungen.

Erste zaghafte Reformen, wie die Einteilung Österreichs in 32 Gesundheitsregionen und die Einrichtung von Landesgesundheitsfonds mit Gesundheitsplattformen sollen zumindest ein erster Reformschritt sein, um die oben beschriebenen Probleme zu lösen.

So genannte Gesundheitsplattformen, die von den Landesgesundheitsfonds eingerichtet werden, sollen die Planung für das gesamte Gesundheitswesen, also den niedergelassenen und den stationären Bereich übernehmen (und damit die duale Finanzierung des Gesundheitssystems zwar nicht abschaffen, die Mittel aus Steuern und Beiträgen aber für beide Bereiche einsetzen).

Damit sollen gemeinsam Möglichkeiten erarbeitet werden, wie sich die Finanzierung für beide Bereiche vereinheitlichen lassen kann und wie sich die Schnittstellenproblematik in Zukunft vermindern lassen kann.

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Hör-Tipp
Radiodoktor-Gesundheitsmagazin, Montag, 30. Jänner 2006, 14:05 Uhr

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