Nasrin Siege und ihr Kampf um Menschlichkeit

Geschichten vom Fluss

Durch ihre Heirat mit einem deutschen Entwicklungshelfer kam die in Teheran geborene Schriftstellerin Nasrin Siege 1983 zum ersten Mal nach Afrika, wo sie zwölf Jahre lang gelebt und u. a. den Verein "Hilfe für Afrika" gegründet hat. Derzeit lebt sie in Madagaskar.

Die Schriftstellerin über ihre Liebe zu Afrika

"Karibuni Sana" - so heißt der Willkommensgruß in Tansania, wo die in Teheran geborene Schriftstellerin Nasrin Siege insgesamt zwölf Jahre lang mit ihrem Mann Ludwig, einem deutschen Entwicklungshelfer, gelebt hat. Und seither ist sie auch dort wegen ihrer zahlreichen aufopferungswürdigen Hilfsprojekte willkommen. Jene Dankbarkeit, vor allem aber Herzlichkeit, die ihr von den Menschen entgegengebracht wird, ist es auch, die sie bis jetzt bei ihren Bemühungen um Hilfe nicht ruhen und immer wieder nach Afrika zurückkommen lässt.

Ein Leben zwischen den Kulturen

Ihre Kindheit verbrachte Nasrin Siege in Teheran. Im Alter von neun Jahren übersiedelte sie mit ihren Eltern nach Deutschland. In Kiel studierte sie Psychologie und arbeitete als Psychotherapeutin in einer Suchtklinik in Friedrichsdorf bei Frankfurt. Erstmals nach Afrika kam sie 1983 nach ihrer Heirat. Zwei Jahre lebte sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Tanga an der Ostküste von Tansania. Nach einem Zwischenaufenthalt in Deutschland übersiedelte die Familie schließlich 1987 nach Sambia:

"In Sambia sammelte ich afrikanische Märchen und schrieb mein erstes Kinderbuch "Sombo, das Mädchen vom Fluss". Meine Geschichten sind eng mit meinem Leben verbunden. Als Kind habe ich mich oft darüber geärgert, dass fremde Kulturen in Jugendbüchern entweder als exotisch dargestellt wurden, als Kulissen für die Weißen dienten oder ganz einfach lächerlich gemacht wurden. Und ich habe Kinderbücher vermisst, in denen Mädchen wie ich vorkamen, die ähnliche Probleme hatten wie ich".

Einmal Afrika, immer Afrika

Der besondere Umgang der afrikanischen Menschen miteinander hat ihr Bild von Afrika nachhaltig geprägt hat: "Es ist die Herzlichkeit der Menschen, die mich in Afrika immer wieder tief beeindruckt", sagt Nasrin Siege.

Bei ihrem Besuch in ihrer Wohnung in Frankfurt war sie in Gedanken schon wieder bei ihren Hilfsprojekten in ihrer neuen Heimat Madagaskar. Nur jeweils im Herbst kommt sie für einige Wochen nach Europa, um hier bei Lesungen und Veranstaltungen ihre Bücher vorzustellen.

Verein "Hilfe für Afrika"

Seit dem Tag, an dem sie sich mit ihrer Familie in Tansania ansiedelte, widmete sich Nasrin Siege vor allem den Kindern auf der Straße. Unter ihrer Bauleitung wurde ein neues Wohnheim für Burschen gebaut; ein zweites sollte folgen. Inzwischen wird - nach diesem Vorbild - auch ein Heim für Mädchen errichtet. Sie selbst war auch einige Zeit als Beraterin im Kinder-Untersuchungsgefängnis von Dar-Es-Salaam in Tansania tätig.

Gemeinsam mit Freunden in Deutschland gründete die Schriftstellerin schließlich 1996 den Verein "Hilfe für Afrika“, der insbesondere Straßenkinder, arme Familien, alleinstehende Mütter, Waisen, Behinderte, inhaftierte Jugendliche und AIDS-Opfer unterstützt. Der Schwerpunkt der Arbeit des Vereins liegt derzeit in Dar-Es-Salaam und in Antananarivo in Madagaskar, dem derzeitigen Wohnort von Nasrin und Ludwig Siege.

Kinder im Mittelpunkt

Ihre Liebe zu Afrika kommt auch in ihren zahlreichen Kinderbüchern zum Ausdruck. "Meine Märchen", sagt sie, "sind eine Liebeserklärung an das Leben zwischen den Kulturen". Ein Satz, der für alle Bücher von Nasrin Siege gelten könnte. Ob "Der Tag des Regenbogens", "Sombo, das Mädchen vom Fluss", "Wie der Fluss in meinem Dorf", "Shirin" oder "Juma. Ein Straßenkind aus Tansania": in ihren Büchern erzählt Siege gern Geschichten, die ganz nahe an den Menschen bleiben. Vor allem das Kindsein in Afrika ist bei ihr ein großes Thema. Immer wieder erzählt sie vom schwierigen Alltag der afrikanischen Kinder, vom Kampf um Anerkennung, von der Sehnsucht nach Bildung und nach Veränderung.

"Ich will Nähe herstellen", sagt die Autorin. Was ihr in Büchern gelingt, beschreibt ein Kritiker so: "Diese Literatur schafft das, was Wissen allein nie zuwege bringt: sich in andere Leben einzufühlen und damit Fremdheit zu verringern".

Ihre künftigen Projekte

"Beim Schreiben meiner Kinder-Bücher haben mir meine eigenen Kinder sehr geholfen“, erzählt Nasrin Siege.“ Durch ihren freundschaftlichen Kontakt mit den Kindern des Dorfes habe ich viele afrikanische Kinder kennen gelernt. Sie haben mir alte Geschichten und Märchen erzählt, sie gaben mir einen Einblick in das Leben der Dorfgemeinschaft- Ich konnte viel von ihrem Alltag, von ihrer Gedankenwelt erfahren ...“

Im Armenviertel von Antananarivo kam ihr im Vorjahr dann schließlich auch die Idee, dass die Kinder mit ihren Geschichten selbst ein Buch füllen könnten. In Werkstattgesprächen hat sie die Themen eingegrenzt und das Buchprojekt Madagaskar nahm seinen Lauf und wird bald realisiert sein. Ein weiteres Projekt startete sie gemeinsam mit ihrem Mann. Die Assoziation "Ecole De Rugby - Ecole De La Vie" bietet den Buben aus den ärmsten Vierteln Antananarivos neben dem Training in Rugby wöchentlichen Unterricht in verschiedenen Fächern an, u. a. im Schreiben und Lesen in Malgache, Französisch, Mathematik, Hygiene und dem Erlernen sozialer Fertigkeiten:

"Dies geht jedoch nur mit Hilfe von Spenden, weil die Assoziation von der französischen Botschaft nicht mehr unterstützt wird. Unsere eigenen finanziellen Mittel reichen nicht aus", klagt sie kämpferisch. Auch in ihrem Buch "Der Tag des Regenbogens" versammelt Nasrin Siege Geschichten von starken, kämpferischen Frauen, von Frauen, die Grenzen überschreiten, die Vieles hinter sich lassen, von Frauen wie sie.

Hör-Tipp
Menschenbilder, Sonntag, 22. Jänner 2006, 14:05 Uhr

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