Ö1 CD mit klassischem Damenkammerchor
Reiters Werke für Oberchor
Er entstammt einer bekannten Musikerfamilie: Der österreichische Komponist Herwig Reiter, Jahrgang 1941. Besonders prägend für ihn war der Privatunterricht bei Ferdinand Grossmann. Ö1 präsentiert seine Werke für Oberchor mit dem chorus discantus.
8. April 2017, 21:58
"Ich empfinde es als blanke Heuchelei, wenn dieselben Leute, die bei Bach oder Schubert anscheinend tief ergriffen zuhören, zeitgenössische Stücke, bei denen irgendetwas an Bach oder Schubert erinnert, aus 'stilistischen' Gründen (und akademischem Wohlverhalten) ablehnen", so der österreichische Komponist Herwig Reiter.
Der Komponist, 1941 in Waidhofen/Thaya geboren, entstammt einer Musikerfamilie: Vater (Albert) und Bruder (Hermann) sind bekannte Komponisten. Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er bei den Wiener Sängerknaben. Er studierte in Wien Musikpädagogik, Germanistik und Klavier. Besonders prägend für ihn war der Privatunterricht bei Ferdinand Grossmann.
Berufung an Wiener Musik-Uni
Bereits vor Abschluss seines Studiums wurde Reiter als Kapellmeister zu den Wiener Sängerknaben engagiert, wo er von 1963 bis 1970 tätig war. Von 1964 bis 1980 arbeitete er an einem Wiener Gymnasium, daneben gab er Gesangsunterricht, leitete den Ferdinand Grossmann Kammerchor und trat auch als Klavierbegleiter und Dirigent von Oratorien und Opern in Erscheinung.
Ab 1975 unterrichtete er an der Wiener Musikuniversität und avancierte 1985 zum Ordentlichen Professor für Dirigieren an der Abteilung Musikpädagogik. Diese Position hatte Reiter inne, bis er 2002 in den Ruhestand trat.
Gestalter von ORF-Chorsendungen
Neben seiner Tätigkeit an der Musikuniversität veranstaltete er in seiner Wohnung in Wien Hauskonzerte ("Festinos"), war Referent bei zahlreichen Fortbildungskursen (Internationale Chorakademie Krems, Vokalwoche Wolfsberg, verschiedene Chorleiterkurse in Österreich, der Schweiz und Südtirol, Musikfabrik Edelhof u.a.) und oftmaliger Juror beim Österreichischen Bundesjugendsingen sowie beim Chorbewerb in Schloss Porcia (Spittal/Drau), bei dem er seit 2002 den Vorsitz führt.
Im ORF gestaltete er viele Jahre lang Chorsendungen und war auch als Aufnahmeleiter an vielen wichtigen Chorproduktionen österreichischer Chöre beteiligt. 1987 erhielt er den Niederösterreichischen Landespreis für Verdienste auf dem Gebiet der Musikpädagogik, 2001 den Erwin Ortner Preis zur Förderung der Chormusik in Form eines Kompositionsauftrags für Laienchor, 2003 den Würdigungspreis der Republik Österreich für Musik.
Anknüpfung an gemäßigte Moderne
Von den Kompositionen aus Reiters Kindheit, in denen die oktotonische Leiter eine wesentliche Rolle spielt, ist fast nichts erhalten. Mit Beginn des Studiums an der Wiener Musikakademie (1959) wandte er sich anderen musikalischen Tätigkeiten zu, vor allem aus der Einsicht heraus, zum damals aktuellen "seriellen" Stil nichts beitragen zu können.
Erst 1994, während eines Ferienaufenthalts auf der griechischen Insel Samos, fand Herwig Reiter zum Komponieren zurück. Der Stil der seither entstandenen Werke orientiert sich nur wenig an der Avantgarde (am ehesten an der grafisch notierten Musik von Logothetis und den Klangflächenkompositionen von Cerha und Ligeti), sondern knüpft an die gemäßigte Moderne (Britten, Henze, Rautavaara u.a.) an, die er weiterzuentwickeln versucht. Auch Einflüsse aus Jazz und Filmmusik sind in manchen Werken festzustellen.
Publikum erreichen, nicht verwirren
Darüber hinaus bezieht Reiter Elemente aus früheren Epochen mit ein (Gregorianik, Polyphonie, Romantik, Walzer). Seine Partituren sind konventionell notiert, motivisch durchgeformt und melodisch-harmonisch auf Skalen, nicht auf Reihen aufgebaut. Unmittelbare Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit in der Vorstellung werden angestrebt.
"Modernität" im Sinne eines absichtlichen Zerschlagens von fassbaren melodisch-rhythmischen Gestalten bzw. des Ersetzens von "Form" durch "Strukturen", von Harmonik durch reine Klang- und Geräuschwirkungen und von "Vision" durch "Provokation" lehnt Reiter ab. Er versucht, das Publikum zu "erreichen", zu "berühren", und nicht zu verwirren.
CD-Tipp
chorus discantus, Herwig Reiter, "Werke für Oberchor", Ö1 CD 392,
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Links
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