Volkstheater-Chef im Künstlerzimmer

Michael Schottenberg zu Gast

Seit September ist er Direktor des Theaters, mit Joshua Sobols "Weiningers Nacht" inszeniert er nun zum dritten Mal am eigenen Haus: Volkstheater-Chef Michael Schottenberg. Er spricht über die neue Aktualität des Werks, das am 15. Jänner Premiere hat.

Michael Schottenberg zieht eine Art Zwischenbilanz

Nach "Indien", das er gemeinsam mit Heribert Sasse umsetzte, und Nestroys "Freiheit in Krähwinkel" ist es nun die dritte Regie des Theater-Chefs am eigenen Haus: Volkstheater-Direktor Michael Schottenberg, der Joshua Sobols "Weiningers Nacht" inszeniert. Premiere hat das Stück am 15. Jänner 2006.

Im Gespräch mit Maria Rennhofer resümiert Schottenberg die ersten Monate als Direktor, spricht über die Anlaufprobleme seiner Intendanz, so unter anderem über die geringe Auslastung, über abgesagte Produktionen und Budgetprobleme, den Konflikt um das "Führerzimmer" sowie über die neue Aktualität, die er in Sobols Werk entdeckt.

Start mit "Spiegelgrund"

Mit Christoph Klimkes dokumentarischem Auftragswerk "Spiegelgrund", inszeniert von Johann Kresnik, eröffnete Schottenberg im vergangenen September seine erste Volkstheater-Saison.

Bei den Versuchsanordnungen der NS-Eugeniker im Pavillon 15 der Kinderklinik am Wiener Steinhof kamen damals 789 Kinder ums Leben.

Farce um "Hitlerzimmer"

Für die einen ist es Denkmalschutz, für die anderen schlicht eine unglaubliche Posse: Mit seiner Idee, die Original-Holzvertäfelung des "Hitler-Zimmers" im Volkstheater für die Thomas-Bernhard-Inszenierung "Vor dem Ruhestand" zu benutzen, provozierte der neue Hausherr die Behörden. Die Vertäfelung des Salons, der vor Jahrzehnten eigens für einen nie stattgefundenen Besuch Adolf Hitlers eingerichtet wurde, gilt als "typisches Baudenkmal".

Schottenberg jedoch ließ die braunen Reste herausreißen und nahm sie als Modell für das Bühnenbild. Aber die Denkmalschützer verpflichteten ihn, das "Hitlerzimmer" wieder in den Originalzustand zu versetzen. Er fügte sich dem Beschluss, aber nicht unkommentiert. "Ich habe die Holzvertäfelung aus Gründen der Moral, der Ethik und des politischen Bewusstseins abbauen lassen. Die Entscheidung des Bundesdenkmalamts nehme ich zur Kenntnis und muss ihr Folge leisten", so der Theater-Chef.

Herzmanovsky-Preis für Zivilcourage

Für seine Rolle in der Wiener Denkmalschutz-Farce erhielt Schottenberg im vergangenen Dezember eine Auszeichnung: den vom Verband der Auslandspresse erstmals vergebenen Herzmanovsky-Preis für Zivilcourage.

Die Auszeichnung rege ihn "zu allen möglichen und unmöglichen Assoziationen an", so der Direktor, als er den Herzmanovsky-Preis entgegen nahm, "zu einem lustvoll gedanklichen Herumschwadronieren in Skurrilitäten, in den Grotesken und Absurditäten aus und in dem Hause Österreich."

Neue Spielstätte "Hundsturm"

Eine trendige Nebenspielstätte mit Werkstattcharakter und der Möglichkeit, Kultstatus zu entwickeln - diesen Traum jedes ambitionierten Theaterdirektors erfüllte sich Schottenberg im vergangenen September mit der Adaption alter Probenräume in der Margaretenstraße 166 zur neuen Spielstätte, dem "Hundsturm".

Die beiden jungen Regisseure Patrick Wengenroth und Wojtek Klemm, die das neue Haus bespielen, haben beide Berliner Volksbühnen-Erfahrung.

Theater-Credo

Stakkatoartig legte Michael Schottenberg, der das Volkstheater nun fünf Jahre leiten wird, bei seiner Präsentation im September 2003 sein "Glaubensbekenntnis zum Theater" ab - und man konnte sich des Eindrucks kaum erwehren: Der Mann will alles, und das sofort. Für die Umsetzung seiner vielen Ideen hat er nun fünf Jahre Zeit.

Dass Schottenberg es versteht, sein "Theater im Kopf" auch in die Realität umzusetzen, hat er in der Vergangenheit immer wieder bewiesen - und das dürfte auch für die ungewöhnliche Einmütigkeit verantwortlich sein, die Österreichs wichtigste Kulturpolitiker bei seiner Bestellung an den Tag legten.

Ausbildung am Mozarteum

Michael Schottenberg wurde am 10. Juli 1952 in Wien geboren und ist seit langem eine der prägenden Figuren der Wiener Theaterszene. Dabei schien sich ihm die Frage "E" oder "U", also Kunst oder Unterhaltung, für ihn nie zu stellen. Der Schauspieler und Regisseur, ausgebildet am Schauspielseminar des Mozarteum in Salzburg, hatte nie Berührungsängste mit der leichten Muse, und Musical zu inszenieren war für ihn ebenso selbstverständlich wie professionelle Bewerbung publikumswirksamer Konzepte.

Am Wiener Schauspielhaus war er für einige der größten Erfolge der ersten Direktionszeit von Hans Gratzer verantwortlich (unter anderem "Piaf", "Der Kontrabass" und "Rocky Horror Picture Show").

Eigene Truppe Theater im Kopf

1984 gründete er seine Truppe Theater im Kopf (TiK), mit der er 1985 im Schauspielhaus "Elvis" verwirklichte und in einem Zelt vor der Votivkirche mit "Der Widerspenstigen Zähmung" (1987) und "Peer Gynt" (1988) jeweils mehr als 20.000 Zuschauer erreichte. Später versuchte er mit der Revue "Marantana" (1995) an die einstigen Zelt-Erfolge anzuknüpfen.

Für die Vereinigten Bühnen Wien inszenierte er 1994 im Raimund Theater das Musical "Grease", für das Berliner Schlossparktheater unter anderem. 1997 die Bühnen-Version des Hader- und Dorfer-Film-Hits "Indien", in der er selbst den Restaurant-Tester Kurt Fellner spielte.

Regie-Erfolge am Volkstheater

Am Volkstheater Wien führte Schottenberg bereits mehrmals erfolgreich Regie: bei "Cyrano de Bergerac" (1996, Skraup-Preis), "Mirandolina" (1998) und Nestroys "Der Talisman" (2001) - wofür er mit dem Regie-Nestroy und abermals mit dem Skraup-Preis ausgezeichnet wurde. Einen Spezial-Nestroy erhielt auch seine Koproduktion von Metropol Wien und Stadttheater Klagenfurt "Noch ist Polen nicht verloren".

Im Frühjahr 2004 brachte er seine Inszenierung von Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder" am Volkstheater heraus - mit seiner Gefährtin, der Schauspielerin Maria Bill, mit der er viele Etappen seiner erfolgreichen Karriere gemeinsam absolvierte.

Filme

Auch zahlreiche Filme hat er gedreht, darunter die TV-Streifen "Das Diarium des Dr. Döblinger", "Das Geheimnis" und "Geschäfte" (beide Drehbücher gemeinsam mit Gerhard Roth), die zweiteilige Gerhard-Roth-Verfilmung "Landläufiger Tod" (1990) sowie die Kinofilme "Caracas" und "Averills Ankommen".

Hör-Tipp
Im Künstlerzimmer, Freitag, 6. Jänner 2006, 11:40 Uhr

Download-Tipp
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Links
AEIOU - Otto Weiniger
Volkstheater Wien