Berühmte Kontroversen

Streithähne, Zankäpfel und Fehden - Teil 1

David gegen Goliath, Muhammad Ali gegen Georg Foreman: Unser kollektives Gedächtnis ist voll mit berühmten Kontroversen. Sie erzählen Geschichten von Überraschungssiegern und entzauberten Favoriten, gebrochenen Verlierern und listenreichen Strategen.

Der Zweikampf zwischen Achilles und Hector gehört zu den literarischen Höhepunkten der "Ilias" und gilt als eine der berühmtesten Kontroversen in der Literaturgeschichte.

Allerdings steht in diesem antiken Duell nicht der bürgerliche Ehrbegriff zur Diskussion, sondern eine Frage. Denn in der Antike dienten Duelle, im Gegensatz zu späteren Zeiten, nicht zur Klärung des Ehrbegriffes, sondern so der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler zur Klärung eines Prinzips oder einer Idee, wie der des Staates. Im Duell Hector gegen Achilles steht letztlich die Frage im Raum: Wer ist der größere Held?

"Singe mir, Muse, den Zorn des Peleussohnes Achilleus", so lautet die erste Zeile der "Ilias". Der Zorn des griechischen Helden ist von Anfang an das Zentralmotiv des Epos. Im Duell gegen Hector, der den Freund Patroklos erschlug, wird Achilles Zorn schlussendlich besänftigt.

Verantwortungsbewusstsein gegen Tatendrang

Der Germanist Wendelin Schmidt-Dengler beschreibt die beiden Kontrahenten folgendermaßen: "Achilles ist ein jähzorniger Mensch, er hat ein starkes Rechtsbedürfnis, er ist der jugendliche, ungestüme Jähzornig. Der Held weiß, dass er sportlich überlegen ist. Er ist eine Figur mit heldischer Dimension, eine Dimension, die uns aus zeitgeschichtlichen Gründen heute weniger zugänglich ist."

Unablässlich verfolgte den Hector der schnelle Achilleus, so wie ein Hund im Gebirge das Junge des Hirsches vom Lager aufscheucht und durch Schluchten und Täler stets vor sich hertreibt. ("Ilias")

"Hector hingegen ist derjenige, der in einem riesigen Familienverband lebt", so Schmidt-Dengler weiter. "Wenn man so sagen kann, dann ist Hector derjenige, der das Bild vom Friedensmenschen vorgelebt hat, trotz seiner Tüchtigkeit im Kampfe. Hector ist also der Verantwortungsbewusste, während der andere der Mensch der Tat ist, und diese beiden Figuren kollidieren hier."

Eingreifen der Götter

Bemerkenswert ist, dass der Grieche Homer für beide Duellanten Sympathien hege, nicht nur für seinen mythischen Landsmann Achilles. Bevor Hector und Achilles in den Ring steigen, kommt es zu einem Rededuell. Schon bei den Griechen ging das Verbale dem Handgreiflichen voraus. Nachdem die beiden Helden ihre Schmähreden abgelassen und die Burg dreimal umkreist haben, mischt sich auch noch Zeus ein.

Als sie dann aber zum vierten Mal an den Brunnen gelangten, richtete vor sich der Vater da die goldene Waage, legte zwei Lose hinein des stark betrübenden Todes, das des Achilleus und das des Roßebändigers Hector. Fasste die Mitte und wog. Des Hector Todesgeschick sank und ging fort zum Hades. ("Ilias")

Bis heute tut sich die Forschung mit den dauernden Interventionen der Götter schwer. Ist Zeus die Gerechtigkeit oder nicht viel mehr als ein blutrünstiger Metzger, der das Schicksal seiner Helden wie ein Stück Fleisch abwiegt? Waren es nicht die Götter, die den Trojanischen Krieg angezettelt haben? Aber sind die Götter nicht wiederum eine Erfindung der Menschen?

Schnelles Ende

Endlich kommt es zum Kampf, aber nach dem langen Vorgeplänkel ist er, wie bei den meisten Duellen, schnell vorbei. In den Duellen der Antike steht das Sportliche im Mittelpunkt, sie sind stark abgestimmt auf die körperliche Geschicklichkeit, und Hector ist Achilles einfach unterlegen.

Doch wo das Schlüsselbein den Hals von den Schultern getrennt hält, war an der Kehle er bloß, der lebensgefährlichsten Stelle. Da hinein stieß dem Stürmenden nun mit der Lanze Achilleus. Bis gegenüber durchfuhr den zarten Hals da die Spitze. ("Ilias")

Der zornige Sportsmann Achilles kennt allerdings selbst mit dem toten Hector keine Gnade. Ohne Bestattung soll der Erzfeind von den Hunden gefressen werden, ein Albtraum für jeden griechischen Helden. Dass es schließlich anders kommt, erfährt Hector nicht mehr.

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