Literatur auf den Philippinen

Haupts(pr)ache Englisch

Die mehr als 80 Millionen Menschen auf über 7.100 philippinischen Inseln sprechen etwa 90 verschiedene Sprachen und Dialekte. Acht davon gelten als Hauptsprachen, aber nur zwei sind als Amtssprachen für alle verbindlich: Tagalog/Filipino und Englisch.

Natürlich gab es auf den Philippinen schon vor der nicht gerade sanften Kolonisierung durch die Spanier Literatur: Märchen und Mythen, Lieder, Gedichte, Legenden, Heldenepen, aber sie war halt nicht christlich und wurde deshalb weitestgehend vernichtet. Die wenigen, teilweise nur in Fragmenten erhaltenen Werke weisen eine hohe Qualität auf. Offenbar waren siebensilbige Verse bei den Alten sehr beliebt.

Orientierung am Christentum

Die Spanier allerdings bevorzugten acht- bzw. zwölfsilbige Verse, "Corrida" und "Awit", und legten Wert auf die Verbreitung christlichen Gedankengutes. Deshalb erstaunt es nicht, dass das erste gedruckte Buch auf den Philippinen die "Doctrina Christiana" war, 1593. Und dass die einheimischen Kreativen sich an der neuen Religion orientierten. Besonders beliebt waren das Genre der "Pasyon", lange, die Passionsgeschichte erzählende Gedichte, und der "Sinkulo", eine Art Passionsspiel.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts orientierte man sich auf den über 7.100 Inseln zählenden Philippinen an der Vormacht Spaniens, auch an deren Vorliebe für die Rauf- und Liebesabenteuer hochgeborener Ritter, deren berühmtestes die Geschichte von "Florante und Laura" wurde. Francicso Baltazar alias Balagtas, der von 1788 bis 1862 lebte, schuf die bekannteste Version dieses Stoffes. Er wird heute noch verehrt, auch weil er "zwischen den Kulturen" schrieb: hochstehend und intellektuell genug, dass das sich am Spanischen orientierende städtische Publikum sein Vergnügen hatte, und dennoch so traditionell, dass er auch die einfacheren Leute erreichte. Er benutzte die am weitesten verbreitete Sprache, Tagalog, das seit 1946 zur Basis der Amtssprache "Filipino" geworden ist.

Revolutionäre und Helden

Erstaunlicherweise hat sich bis weit ins 20. Jahrhundert ein weiteres Relikt aus dem Spanischen erhalten: das "Sarswela", das sich formal und musikalisch direkt an der in Spanien bis heute beliebten Zarzuela, einer Art Operette, orientiert. Inhaltlich ist das Sarwela allerdings weit vom spanischen Vorbild entfernt. Es wurde zum meinungsbildenden Erziehungsinstrument im Kampf für die Unabhängigkeit und brachte Revolutionäre und Helden auf die Bühne und trug somit bedeutend zur Formung eines neuen Selbstverständnisses der Filipinos bei.

Die spanische Herrschaft wurde unmittelbar von den USA abgelöst, die zwar die Unabhängigkeitsbewegung enthusiastisch unterstützt hatten, sich dann aber im Frieden von Paris am 10. Dezember 1898 das Gebiet von den Spaniern abtreten ließen, was auf den Inseln weitere Jahre Guerillakrieg bedeutete und auch die Sympathien für die Kultur des Abendlandes nur mäßig förderte.

Englisch als Statussymbol

Die USA wurden zum wichtigsten Vorbild auf kulturellem Gebiet und Englisch zur Sprache, die sehr schnell im ganzen Land, in dem es mehr als 90 unterschiedliche Sprachen und Dialekte gibt, gesprochen wurde. Es ist bis heute die zweite Amtssprache geblieben. Und es war vor allem in den 1960er und 1970er Jahren die Sprache der Intellektuellen und der Schriftsteller. "Englisch wurde zum Statussymbol", schrieb Eric Gamalinda im Jänner 2003 in der "Philippine Post", "zum äußeren Zeichen, dass man zivilisiert war." Das ging so weit, dass sich viele Filipinos schämten, wenn sie beim Sprechen ihrer eigenen Sprache "erwischt" wurden.

Das hat sich bis heute nur wenig geändert, obwohl die Sprachendiskussion mittlerweile wieder in Gang gekommen ist. Vor allem die Jungen fragen sich: "Kann Englisch wirklich das ausdrücken, was ich denke und fühle? Oder werde ich, wenn ich Englisch schreibe, zum Verräter an meiner Kultur und meinen Wurzeln?" Tatsache bleibt, dass der Tod, den man der englischsprachigen Literatur der Philippinen seit den 1960er Jahren verkündet, bis jetzt nicht eingetreten ist.

Buch-Tipp
Bernhard Dahm und Roderich Ptak (Hg.), "Südostasien-Handbuch. Geschichte, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Kultur", C. H. Beck Verlag, ISBN 3406453139

Link:
Philippine Post - Artikel von Eric Gamalinda