Von der Ruine zur festlichen Wiedereröffnung
50 Jahre Staatsoper - Teil 2
"Auch wenn die äußeren Schäden aufgrund der Massivbauweise nicht so gravierend waren - die Staatsoper war damals eine Ruine", schildert Bruno Maldoner, Landeskonservator für Wien und für das Opernhaus zuständig, die Situation nach der Zerstörung 1945.
8. April 2017, 21:58
Landeskonservator Maldoner über den Wiederaufbau
"Bei den Bombentreffern am 12. März 1945 auf die Wiener Staatsoper wurde eigentlich alles zerstört - mit Ausnahme des Prunkstiegenhauses in der Mitte. Das hing mit davor getroffenen Maßnahmen zusammen: Die Decke des Schwind-Foyers wurde massiv gedämmt und mit Trägern versehen, ebenso wurden die Arkaden abgemauert, so dass der Feuersturm nicht in das monumentale Stiegenhaus eindringen konnte und die Dekorationen erhalten blieben. Im übrigen Gebäude brannten Bühnenhaus, Zuschauerraum und seitliche Stiegenhäuser aus. Auch wenn die äußeren Schäden aufgrund der Massivbauweise und dank der Abmauerungen nicht so gravierend waren - die Staatsoper war damals eine Ruine", schildert Bruno Maldoner, Landeskonservator für Wien, die Situation nach der Zerstörung des traditionsreichen Wiener Opernhauses.
Die unmittelbaren Probleme nach der Zerstörung beschreibt der Denkmalschützer folgendermaßen: "Die erste Aufgabe war die Sicherung der Bausubstanz. Der Winter 1945/46 war sehr hart und man hat bald nach der Zerstörung der Oper versucht, Schutt zu beseitigen. Gleichzeitig musste man das Gebäude abdecken, um eindringendes Wasser und den Frost, der ja Sprengwirkung hat, abzuhalten. Schließlich gab es nach dem Tage langen Brand der Oper eine Menge Schutt, was eines der Hauptprobleme beim Wiederaufbau war. Denn es gab damals kaum Transportkapazitäten. Zwar stellte die russische Besatzung einige Lastwägen zur Verfügung, aber das war nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Und um den Schutt abtransportieren zu können, musste eine eigene Feldbahn gelegt werden."
Diskussion um Wiederaufbau
Obwohl bereits zwei Monate nach der Zerstörung der Staatsoper Julius Raab, der damalige Staatssekretär für öffentliche Bauten, versprochen hatte, dass anstelle der Brandruinen wieder "der herrliche Prachtbau van der Nülls und Sicardsburgs in den Himmel ragen" werde, setzte die Diskussion um den Wiederaufbau ein. Und es gab damals auch Stimmen für einen Abriss und anschließenden Neubau der Oper.
Ein im Ministerium für Handel und Wiederaufbau installiertes Opernbau-Komitee legte im März 1946 die Route fest: Wiederherstellung des früheren Bauzustandes, gleichzeitig Modernisierungen beim Wiederaufbau, um Zuschauerraum und technische Möglichkeiten den zeitgemäßen Anforderungen anzupassen. Es wurde dann ein "Allgemeiner Ideenwettbewerb" für die Neugestaltung des Zuschauerraumes für alle in Österreich lebenden heimischen Architekten, die nicht NS-belastet waren, ausgeschrieben.
Wettbewerbs-Sieger Erich Boltenstern
Schließlich wurden zwölf österreichische Architekten zu einem beschränkten Wettbewerb für den Wiederaufbau eingeladen, bei dem die weitest gehende Erhaltung des Gebäude-Äußeren eine wesentliche Prämisse war.
Nicht Architektur-Doyen Clemens Holzmeister, der auch beim Wiederaufbau des Burgtheaters nicht zum Zug gekommen war, sondern Erich Boltenstern (1896-1991), Otto Prossinger und Felix Cewela wurden an erste Stelle gereiht. Boltenstern, der in dieser Zeit eine Vielzahl von Bauaufträgen für Restaurierung und Wiederaufbau historischer Bauten auszuführen hatte, erhielt im September 1948 den Auftrag für Zuschauerraum und Nebenräume. Für den Marmorsaal wurden Prossinger und Cewela, für den Gobelinsaal Ceno Kosak beauftragt.
Eine moderate Moderne
"Im Gegensatz zu anderen Projekten hat Erich Boltenstern eine moderate Modifizierung des Altbestandes der Oper vorgenommen. Vor allem aber übernahm er den alten Grundriss, was das Projekt ökonomisch günstiger machte. Das dürfte einer der wesentlichen Gründe gewesen sein, warum man sein Projekt auswählte", erklärt Maldoner. Aufgrund des Material- und Geldmangel gestaltete sich der Wiederaufbau schwierig. "Um 1952 war beinahe ein Nullpunkt erreicht, weil es kein Geld mehr gab. Nachdem aber das Dach, eine moderne und kostengünstige Konstruktion, schließlich aufgesetzt war, trat eine gewisse Erleichterung ein und die Arbeiten wurden fortgeführt."
"Es wurden die damals besten Handwerker beschäftigt. Erich Boltenstern erzählte mir einmal, wie schwierig es damals war, jene Fachleute zu finden, die die Qualität der einstigen Hofoper weiterführen konnten", beschreibt Bruno Maldoner.
Sanfte Demokratisierung
Selbst Boltenstern hielt damals das Konzept eines Logentheaters für veraltet, entschloss sich letztlich aber zu Gunsten eines architektonisch geschlossenen Raumbildes zu einer sanften Demokratisierung des Zuschauerraums. "Man könnte seine Intentionen mit zwei Schlagworten charakterisieren: Evolution, nicht Revolution."
"In der Staatsoper hat Boltenstern beide Grundtypen des abendländischen Theaters verbunden - das Amphi- bzw. Rangtheater und das Logentheater. Und damit eine Geschlossenheit des Raumes erreicht, wie sie davor existierte. Ich meine, dass er sogar das alte Konzept beruhigt hat, betrachtet man die oberen Bereiche, wo er die Bögen der Galerie herausnahm und das reine Rangtheater umsetzte. Meiner Meinung nach ging Boltenstern hier, jenseits jeglichen Dogmas, einen sehr persönlichen Weg", resümiert Bruno Maldoner.
"Ein ideales Opernhaus"
"Vergleicht man die Wiener Staatsoper mit anderen Opernhäusern, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, so vermittelt sie die Atmosphäre des Festlichen. Man kann das auch bei jungen Touristen, die die Oper besuchen, beobachten: Auch wenn sie eine Jean tragen - sie benehmen sich anders, als auf der Straße."
"Betrachtet man andere Theater, die sich eher am Zweckbau orientieren, ist dort zwar der Unterhaltungsaspekt stärker betont - aber nicht das Fest. Und die Staatsoper vermittelt allein durch ihren Bau schon ein ästhetisches Erlebnis", so Landeskonservator Bruno Maldoner über das "ideale Opernhaus" Wiens.
Mehr zum Alltag nach 1945 in 2005.ORF.at
Buch-Tipp
Maria Kramer, "Die Wiener Staatsoper - Zerstörung und Wiederaufbau", Molden Verlag, ISBN 3854851413
Veranstaltungs-Tipps
Das Festkonzert am Samstag, 5. November 2005 um 19:00 Uhr anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Eröffnung der Wiener Staatsoper nach dem Zweiten Weltkrieg wird live auf den Herbert-von-Karajan-Platz übertragen. Ebenfalls live ist das Konzert in Ö1 zu hören, ORF 2 sendet zeitversetzt ab 20:00 Uhr.
Mehr dazu in Ö1 Programm und tv.ORF.at
Ausstellung "Moderat Modern. Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945", bis Sonntag, 29. Jänner 2006, Wien Museum,
Ö1 Club Mitglieder erhalten ermäßigten Eintritt (50 Prozent).
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, der im Museumsshop erhältlich ist (248 Seiten, EUR 29,-).
Links
aeiou - Erich Boltenstern
Bundesdenkmalamt Österreich
Molden
Wien Museum
Wiener Staatsoper