Fra Bernardo über Lullys wiederentdeckte "Isis"
Geschichten aus der Mythologie
Trotz schöner Musik fiel diese Tragédie en musique bei der Uraufführung 1677 durch: Lullys "Isis". Grund: Zu deutliche Anspielungen auf das Liebesleben Ludwigs XIV. Das Ensemble La Simphonie du Marais widmet sich Lullys Bühnenwerke.
8. April 2017, 21:58
Wer kennt heute ihre Namen, die der Liebhaberinnen des Zeus alias Jupiters: Calisto, Semele, Platée etc. Die Mythologie ist voll von Liebesabenteuern, die der mit Juno verheiratete Gott aller Götter durchlebte. Die Moral für die Sterblichen aus den Geschichten ist eine Sache für die Psychologie.
Mit dem Entstehen des Musiktheaters, der Oper, erlebten die Erzählungen aus der Antike eine Renaissance. So handeln die ersten Opern von Odysseus und dem göttlichen Sänger Orpheus. Aber schon bald spielte z. B. in Cavallis "La Calisto" Jupiter eine zentrale Rolle. Auch Händels "Semele" handelt von einer (un)glücklichen Liebe des Götterfürsten.
A la francaise
Was in Italien begonnen wurde, durfte freilich auch am Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. nicht fehlen. Kurioser Weise holte sich der Monarch einen Italiener, um die spezielle Form der französischen Barockoper aus der Taufe zu heben. Der Florentiner Giovanni Battista Lulli alias Jean-Baptiste Lully schuf für den französischen Hof in Versailles etliche Bühnenwerke.
Die Opern hatten obligat Balletteinlagen, weil der König selbst allzugern das Tanzbein schwang. Bemerkenswert an diesen französischen Opern ist der im Gegensatz zur italienischen Opera seria nicht vorhandene schematische Aufbau: Praktisch fließend gehen rezitativische Teile in Arien über, kommentiert der Chor quasi spontan das Geschehen.
Lullys wiederentdeckte "Isis"
Das junge französische Emsenble La Simphonie du Marais unter Hugo Reyne hat es sich zur Aufgabe gemacht, die zum Großteil in Vergessenheit geratenen Bühnenwerke Lullys wieder aufzuführen. Heuer im Sommer z. B. die Tragédie en musique "Isis" mit über einem Dutzend Solisten, Chor und dem typischen französischen Opernorchester mit großem Bläserapparat.
Obwohl das Werk viele sehr schöne Musik enthält, fiel es bei der Uraufführung im Januar 1677 am Hof von St. Germain-en-Laye durch. Hielt man es doch für eine allzu deutliche Anspielung auf das Liebesleben Ludwigs XIV. Der Librettist wurde sogar zeitweise vom Hof verbannt. Die Folge war, daß diese Tragédie lyrique abgesehen von wenigen singulären Aufführungen der Vergessenheit anheimfiel.
Die Handlung
Den klassischen Vorlagen gemäß ist das Werk in Prolog und fünf Akte gegliedert. Im Prolog befinden wir uns im Palast der Fama, der Personifikation des guten Rufes. Fama fordert ihre Begleitung auf, den Ruhm Frankreichs zu verkünden. Neptun tritt mit Tritonen hinzu und mahnt, die bevorstehenden Auseinandersetzungen zur See im Auge zu behalten.
Doch zusammen mit Apoll weisen die neun Musen und die sieben freien Künste derlei Gedanken zurück, und schließlich bitten alle gemeinsam die Vergnügungen um Entfaltung ihres Charmes. Die Oper behandelt in Anlehnung an Ovids Metamorphosen die Liebe Jupiters zur Nymphe Io und die Eifersucht seiner Gattin Juno.
Der Hirt Hyerax, der Liebhaber der Nymphe Io, wegen deren Unzuverlässigkeit Rat bei seinem Freund Pyrante suchend, gerät dann mit Io in Streit. Woraufhin die Nymphe ihrer Freundin gesteht, einen anderen zu lieben, nämlich Jupiter.
Zeus' wolkiges Tête-à-Tête
Dieser versteckt sich zum Tête-à-Tête mit Io in einer Wolke. Merkur paßt auf, bandelt auch mit Götterbotin Iris, hier der Spionin von Jupiters Gemahlin Juno, an, um sie abzulenken. Doch vergebens: Juno entdeckt das Versteck und entzieht ihrem Gatten die Nymphe. In einer Wildnis wird Io von dem hundertäugigen Argus bewacht, darf nicht einmal den ehemals geliebten Hirten empfangen.
Merkur schläfert zwar Argus ein, doch der Fluchtversuch Ios mißlingt, und die erzürnte Juno läßt sie von den Furien in alle Himmelsrichtungen jagen.
Erlösung durch Versöhnung
In meisterlicher Form werden die Qualen der gejagten Io bebildert, Frost und Kälte bei den Skythen, Hitze bei den Chalybern, den mythischen Stahlkochern am Schwarzen Meer, und schließlich eine Höhle, wo Io von Zank, Krankheiten, Hunger, Feuersbrunst und Wasserflut bedrängt wird. Am Ufer des Nil bittet sie schließlich um die Erlösung durch den Tod.
Jupiter hört es und kommt noch einmal zu ihr. Zunächst, um zu erklären, daß ihm durch Juno die Hände gebunden sind. Dann aber versöhnen sich Jupiter und Juno und vereinbaren, daß er auf weiteres Fremdgehen verzichtet und Io fortan am gestirnten Himmel die neue ägyptische Göttin Isis sein soll. Mit einem Huldigungschor der Ägypter an ihre neue Göttin endet die Oper.
Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)
Hör-Tipp
Konzert am Vormittag, Donnerstag, 27. Oktober 2005, 10:05 Uhr
Mehr dazu in Ö1 Programm
Links
karadar.com - Jean-Baptiste Lully
Centre musique baroque de Versailles
Lexikon der griechischen Mythologie
La Simphonie du Marais