Netties 2005

Mehr Markt - weniger Staat?

In Österreich wurde der Telekommunikationssektor vor sieben Jahren privatisiert und liberalisiert. Welche Erfahrungen haben andere Länder bei diesem Prozess gemacht haben und wohin wird sich die Telekom-Branche entwickeln?

Welche Erfahrungen Länder aus unterschiedlichen Regionen der Welt und mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und kulturellen Hintergrund bei der Privatisierung des Telekommunikationssektor gemacht haben und wohin sich die Telekom-Branche entwickeln wird, war ein Thema der Konferenz Netties 2005, die von 12. bis 14. Oktober 2005 in St. Pölten stattgefunden hat.

Vor- und Nachteile

Für die Kunden habe die Privatisierung und Liberalisierung viele Vorteile gebracht, so Johann Günther, Präsident der European Association for Telematic Applications (EATA) und Geschäftsführer der Fachhochschule St. Pölten.

Früher habe man oft lange auf einen Anschluss warten müssen und die Geräte seien wesentlich teurer gewesen, als zum Beispiel in den USA. Durch die Privatisierung sei die Telefonie billiger geworden, man könne zwischen verschiedenen Produkten auswählen und werde wirklich als Kunde behandelt.

Für den Telekom-Experten ist die Liberalisierung in Österreich zwar grundsätzlich gut gelaufen, aber noch nicht weit genug gegangen, weil das Netz noch immer im Besitz des ehemaligen staatlichen Betriebes, also der heutigen Telekom Austria ist. Für die Telekom Austria habe das sogar Nachteile, weil die anderen Anbieter für die Benützung der Infrastruktur oft weniger zahlen würde, als der Betrieb tatsächlich koste.

Großes Vorbild USA?

Wenn es um den freien Markt geht, schauen immer alle gerne auf die Vereinigten Staaten. Dort war die Telekom-Infrastruktur niemals staatlich, sondern immer in privater Hand. In den Vereinigten Staaten gab es allerdings fast das ganze 20. Jahrhundert hindurch ein privates Monopol für Langstrecken-Verbindungen, das von der American Telephone and Telegraph Corporation, kurz AT&T, gehalten wurde.

Mitte der 1970er Jahre galt das Monopol jedoch nicht mehr als opportun und es kam zu einem Antitrust-Prozess. 1982 einigte sich AT&T schließlich mit dem Justizministerium, die weltgrößte Telefonfirma in den Langstreckenbetreiber AT&T und sieben regionale Betreiber aufzusplittern. AT&T büßte dabei rund 70 Prozent seines Marktwertes ein und verlor Marktanteile an die Konkurrenten MCI und Sprint Corporation.

In den vergangenen zehn Jahren habe der Telekom-Sektor in den USA einen unnötigen und unproduktiven Wettbewerbskampf erlebt, der politisch motiviert gewesen sei und zu weniger Wettbewerb geführt habe, so Dale Lehman, Direktor des Telekommunikations-Management-Programms der Alaska Pacific University. In diesem Punkt seien die USA kein gutes Vorbild für den Rest der Welt.

Der russische Weg

In der Sowjetunion gab es einen staatlichen Telekom-Betreiber, der der Eigentümer aller Telefonfirmen war. Es gab ein starkes Monopol und alles hat dem Staat gehört. Das bedeutet, es wurde zu wenig investiert, das Netz war sehr alt und basierte auf elektromechanischer Vermittlung und analogen Leitungen.

Die Reformen des russischen Telekom-Sektors begannen Anfang der 1990er Jahre und mündeten in einer unvollständigen Liberalisierung und einer unvollständigen Privatisierung.

Privatisierung in Russland bedeutete, dass der Staat 49 Prozent seines Anteils am Telekom-Betreiber an Private verkaufte. Der Staat behielt also die Mehrheit, außerdem waren die Privaten nicht wirklich privat, sondern im Grunde ebenfalls staatliche Firmen.

Heute gibt es sieben dieser so genannten traditionellen Anbieter, die für interregionale Dienste in Russland zuständig sind. Internationale Verbindungen laufen über Russ-Telekom. 90 Prozent der Infrastruktur sind im Besitz der traditionellen Anbieter.

Der Staat sei jedoch ein sehr ineffizienter Unternehmer, so der russische Telekom-Experte Gennady Yanovsky von der Telekommunikationsuniversität in St. Petersburg, weshalb die traditionellen Anbieter 65 Prozent des Marktes an so genannte alternative Anbieter verloren hätten.

Vom Telefon zum Internet

Jaroslaw Ponder von der International Telecommunication Union denkt, dass die derzeitigen und noch kommenden technischen Entwicklung sehr weit reichende Konsequenzen für den Telekom-Sektor haben werden:

"Ich glaube, der gesamte Telekommunikations-Sektor erlebt derzeit einen sehr interessanten Punkt der technologischen Verwandlung und der Abwanderung in die IP-Umgebung. Die Struktur des Marktes wird auch sehr stark durch die Konvergenz der Medien verändert werden - eine Entwicklung, die sich noch beschleunigen wird. Es ist noch nicht entschieden, ob dass die Rolle der alten Anbieter sein wird und wo sie ihre Marktchancen sehen werden, in denen sie ihre Ressourcen und Anlagen besser einsetzen werden können."

Download-Tipp
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Links
Netties 2005
International Telecommunication Union
Geschichte der Telekom in den USA
matrix.ORF.at

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