Konvention zur Förderung kultureller Ausdrucksformen

Kultur ist mehr als nur Ware

Sollen Kunst und Kultur den Regeln des Freien Marktes unterworfen werden? Sollen nur noch jene Kultursparten überleben, die sich selbst finanzieren? Mit einer neuen UNESCO-Konvention soll dem ein Riegel vorgeschoben werden.

ATTAC-Mitbegründer Christian Felber über die WTO

Gegen eine ständig zunehmende Deregulierung und Privatisierung des Kunst- und Kultursektors wendet sich eine UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt, die nächste Woche von fast allen Ländern weltweit unterzeichnet werden wird.

Die Begehrlichkeiten der WTO

Einer der Anlässe für die Erarbeitung der UNESCO-Deklaration, die den sperrigen Titel: UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen trägt, waren die WTO-Verhandlungen im Rahmen des GATS-Abkommens.

Die WTO, die "World Trade Organisation“, fördert bei ihren 149 Mitgliedsländern die fortschreitenden Liberalisierung fast aller Lebensbereiche. Mit WTO-Hilfe regeln die Regierungen der Mitgliedstaaten nicht nur weltweit den Import und Export von Gütern, sondern auch so unterschiedliche Dinge wie Investitionen, Patente oder die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Trinkwasserversorgung, Bildung oder Gesundheit. Ihr Ziel ist die Errichtung einer globalen Freihandelszone. Von der totalen Liberalisierung verspricht sie sich das größtmögliche Wachstum und daraus folgend den größtmöglichen Wohlstand für alle.

GATS-Privatisierung von Dienstleistungen

Im Rahmen des WTO-GATS Abkommens - einem allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen - werden soziale Absicherungs- und Grundversorgungsbereiche wie Kranken- und Pensionsversicherung, Bildungssystem, öffentlicher Verkehr, Wasserversorgung, Strom, Telefon und Post sukzessive privatisiert. Auch der Kunst- und Kultursektor zählt dazu.

Wenn nun dieser Bereich der Liberalisierung preisgegeben wird, könnte das das Aus für staatliche Subventionen nach sich ziehen, denn Liberalisierung heißt ja, dass der Staat sich zurückzieht und in den Markt nicht mehr regulierend eingreift. Es dürften also auch keine Subventionen an Kunst und Kultur mehr verteilt werden, oder aber gleich viele Förderungen für alle Anbieter - für den Veranstalter eines Michael-Jackson-Konzertes ebenso wie für den Organisator eines Kammermusikabends - sodass der Fördertopf rasch leer gefressen würde.

Beispiele aus der Vergangenheit

Bekannt geworden ist das Fallbeispiel Neuseeland: Die neuseeländische Regierung privatisierte die Rundfunkanstalt, die Nachfolgeregierung wollte die Maßnahmen wieder zurücknehmen, weil seitdem Minderheiten-Themen wie etwa die Maori-Kultur nicht mehr vorkamen. Das war jedoch nicht mehr möglich, denn GATS könne nur schwer rückgängig gemacht werden.

Vor diesem Hintergrund entstand die UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Diversität: eine Konvention, die sich gegen das Diktat der Marktlogik wendet, eine Konvention, die verhindern möchte, dass Kultur unter dem Kommerzialisierungsdruck in die Hand von einem Dutzend transnationaler Konzerne gerät, die jegliche Kulturform, die sich nicht rechnet, auslöscht, die den kulturellen Einheitsbrei fördert.

UNESCO-Bestimmungen

In den letzten Jahren wurde in allen 191 Mitgliedsländern der UNESCO am zukünftigen Konventionstext gearbeitet, so auch in Österreich. Die Konvention ist 18 Seiten lang und umfasst an die 40 Artikel. Dabei geht es um das Menschenrecht auf kulturelle Selbstbestimmung und Freiheit der Kunst:

Alle Menschen sollen Zugang und Teilhabe an Kultur haben. Kunst ist einerseits Handelsware, andererseits jedoch auch Träger von Identität und Ausdruck von Werten und Orientierung. Die Staaten haben die Pflicht, kulturelle Diversität innerstaatlich zu schützen. Der Kultursektor der Entwicklungsländer soll gestärkt, ihr Zugang zu den Märkten der Industrieländer erleichtert werden. Zukünftige Abkommen sollen in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Kultursektor hin geprüft werden. Auch ein rechtskräftiges Instrument zur Durchsetzung und Einklagbarkeit obiger Bestimmungen soll eingerichtet werden.

Rechtswirksamkeit in der Praxis

Am 17. und 18. Oktober wird die UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt in Paris im Rahmen der UNESCO-Generalkonferenz von fast allen Ländern dieser Erde unterzeichnet werden. Eine Gegenstimme wird es aller Wahrscheinlichkeit nach geben; das sind die USA. Enthalten könnten sich Israel und Australien. In Österreich wird die Konvention per Parlamentsbeschluss ratifiziert werden. Ab 30 Ratifizierungsunterschriften tritt die Konvention in Kraft. Das Ausmaß ihrer Rechtswirksamkeit wird sich erst danach erweisen.

Jene Länder, die unterzeichnet haben, dürften ja dann Kulturagenden im Zuge kommender WTO-GATS-Verhandlungen nicht mehr zur Liberalisierung frei geben. Umgekehrt müssten auch etwaige Klagen privater Kulturtreibenden bei der WTO mit Hinweis auf die Konvention abgewiesen werden. Ob das in der Praxis dann auch wirklich so ist, wird sich erst weisen.

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