Der Zerrissene

Whisky ist auch in Ordnung

Vor vier Jahren überraschte der bekannte Dramatiker Joshua Sobol mit seinem Romandebüt "Schweigen", das allseits stürmisch bejubelt wurde. Mit "Whisky ist auch in Ordnung" beweist er erneut seine virtuose Erzählkunst und seinen subtilen Humor.

Niemand liebte Chanina. Chanina war einmal verliebt, aber auch als er liebte, wurde er nicht geliebt.

Chanina ist ein Chamäleon, eine rätselhafte Figur mit drei Identitäten. Früher war er für die israelische Armee der Elitekiller Tyrell, heute ist er in der New Yorker Werbeszene der Guru Chanina Regev. Aber tief im Herzen ist er Poet.

Der Mann mit den tausend Masken

Der Zerrissene, der stets zwischen kühler Kalkulation und hitziger Emotion wechselt, hat auf dem Weg zu innerem Frieden noch eine Rechnung offen: die Rache für den Mord an zwei Kameraden.

Der Mann mit den tausend Masken hatte sich nach seinem Dienst in der israelischen Armee einem Sonderkommando angeschlossen, das für die weltweite Liquidation von Terroristen und Mördern zuständig war. Bei einem Einsatz in der libyschen Wüste kamen damals zwei seiner Mitstreiter ums Leben. 18 Jahre lang hat er den vermeintlichen Mörder Adonas alias Toni gesucht.

Deine Hände schwitzen, du hast einen schnellen, unsteten Puls. Dein Herz ist nicht gesund. Du bist nicht in bester Verfassung. Ich werde nicht von dir lassen, bis du mein bist. Aus dem Telefonhörer drang erstickter Husten und Geräusper.

Was ist los mit dir? erkundigte sich der Tod. Keine Angst: Du wirst nicht sterben, bevor wir uns treffen, doch das wird schneller sein, als du denkst.

Maskeraden hier wie dort

Bei der rasanten Jagd auf den Syrer, der eigentlich Weißrusse englisch-deutscher Abstammung ist und ebenfalls durch immer wieder neue Identitäten für zusätzliche Verwirrung sorgt, stehen dem Helden vor allem seine eigenen Rollenspiele im Weg. Der sich nach Liebe sehnende Dichter kommt ebenso regelmäßig zum Vorschein wie der Drehbuchschreiber, der Chanina konfuse Regieanweisungen gibt.

Das alles passiert in irgendeinem verrückten Studio in Hollywood, aber was sollte man machen, wenn die verfluchte Stimme jenes Teufelsbratens weiter in seinem Kopf hallte. Als er das Whiskyglas wieder ergriff und es zum Mund führte, war ihm mit einemmal klar, dass das Hirn, das ihm das Drehbuch vorgaukelte, bereits die unausweichliche Begegnung mit diesem Toni ersann.

Sobols virtuose Erzählkunst

Joshua Sobol gelang in den 1980er Jahren der internationale Durchbruch als Dramatiker mit den beiden Stücken "Weiningers Nacht" und "Ghetto", die so ziemlich auf allen bedeutenden Bühnen aufgeführt wurden. Vor vier Jahren überraschte er mit seinem allseits stürmisch bejubelten Romandebüt "Schweigen", in dem ein stummer Mann die Geschichte des Judentums im 20. Jahrhundert erzählt.

Mit "Whisky ist auch in Ordnung" beweist er erneut seine virtuose Erzählkunst und seinen subtilen Humor. Als Leser erhält man detailreiche und formidabel formulierte Einblicke in verschiedene Welten: die oberflächliche Werbeszene, die sich Ex-Geheimagenten als neue Spielwiese ausgesucht haben, das brutale Dasein seiner Freundin Melissa, die ihrer Alkoholikermutter zum Opfer gefallen und in die Krallen gnadenloser Zuhälter geraten war, und die überraschend romantischen Neigungen von eiskalten Killern.

Das Duell der beiden fintenreichen Männer wird mit jeder Seite spannender, weil Realität und Fiktion selten klar zu trennen sind und das Netz der Identitäten, in dem sich die Figuren verstricken, ständig neue Fäden und Verzweigungen erhält.

Der Mensch ist ein Material, das jede Eigenschaft annehmen kann. Jede neue Begegnung erzeugt einen neuen Menschen, der bis zu jenem Augenblick nicht existiert hat.

Buch-Tipp
Joshua Sobol, "Whisky ist auch in Ordnung", aus dem Hebräischen übersetzt von Barbara Linner, Luchterhand Verlag, ISBN 3630872182