Ein feuriger Musiker

Die Welt des Marc Minkowski

Seit einigen Jahren füllt der Franzose Marc Minkowski die Opern- und Konzertsäle, macht mit seinen Alben beim Publikum Furore. Seine Erfolge feierte er mit Einstudierungen französischer Barockopern. Fra Bernardo traf ihn zum zweiten Teil des Interviews.

Seit einigen Jahren gilt Marc Minkowski als einer der erfolgreichsten Barockspezialisten. Natürlich erstreckt sich sein Repertoire mittlerweile auch auf andere Epochen, sogar bis zur Operette von Jacques Offenbach. Einst waren Harnoncourt und Gardiner seine Vorbilder, erzählte er im ersten Teil des Interviews. Heute geht er auf Distanz.

Stilistische Wurzeln freilegen

Fra Bernardo: Ihr Repertoire reicht von der Musik des 17. Jahrhunderts bis in das 19. Jahrhundert. Inwieweit beeinflusst ihre lange Praxis mit Barockmusik die Interpretation von romantischen und späteren Werken?
Marc Minkowski: Sicher gibt es hier Einflüsse, aber dennoch versuche ich für jede Epoche eine eigene musikalische Sprache - eine eigene Rezeptur - zu finden. Mozart hat seine Wurzeln sicher in der Barockmusik, für mich ist er aber wirklich ein Meister der Klassik.

Ich habe mich zum Beispiel auch sehr mit der Musik Glucks beschäftigt und sehe ihn heute nicht als Klassiker, sondern eher als Vorromantiker. Für Offenbach, dessen "Orpheus in der Unterwelt" ich dirigiert habe, sind meine Erfahrungen mit Barockmusik sehr wichtig, denn er parodiert viele der barocken Tänze. Zugleich muss man seine Musik aber natürlich im Kontext zu seiner Zeit sehen.

Stilsicherheit gefragt

Als Instrumentalist, aber freilich auch als Dirigent haben Sie bei vielen Opernproduktionen mitgewirkt. Welche Probleme stellen sich heute bei der Interpretation von französischen Barockopern?
Sehr oft habe ich den Eindruck, dass die Kritiker hier heute gerne Probleme sehen würden. Meine Philosophie war aber immer, zu beweisen, dass es heute eigentlich gar nicht schwierig ist, französische Barockopern aufzuführen. Das erreicht man durch viele Aufführungen, die die Musik zu einer ganz selbstverständlichen Sache werden lassen. Man darf ja nicht vergessen, dass diese Musik für Künstler geschrieben wurde, die ausschließlich nur diese Musik interpretiert haben.

Nach zehn Jahren Erfahrung kann ich heute auch schon mehr dazu sagen. Aber ein Problem ist es nach wie vor, die richtigen Sänger zu finden. Sänger, die zum einen sehr lyrisch aber zugleich auch sehr stilsicher, sehr sensibel sind, den Stil lieben und den Text wirklich deklamieren können. Die Rolle von Platee ist hier zum Beispiel äußerst anspruchsvoll.

Ein barocker Strawinsky

Sie haben bereits einige Opern von Jean-Baptiste Lully dirigiert. Was interessiert Sie besonders an den Werken Rameaus?
Rameau ist ein sehr wertvoller musikalischer Schatz. Und es ist fantastisch, dass jetzt wieder "Les Boreades" und "Platee" präsentiert werden, weil sie für mich nicht nur die besten Opern Rameaus sind, sondern mit Werken von Gluck wie "Alceste", "Iphigenie" und "Armide" überhaupt die besten französischen Opern des 18. Jahrhunderts darstellen.

Rameau könnte man als barocken Strawinsky bezeichnen. Die Musik in seinen Opern ist faszinierend. In "Les Boreades" gibt es viele Stellen, an denen die Musik nicht genau einzuordnen ist. Sie ist sehr nobel, barock, manchmal von den Harmonien her aber sehr verrückt. Die Tänze sind in gewisser Art sehr revolutionär. Gluck brachte in Frankreich eine Reform in Bezug auf Stil und Emotion. Wenn man aber die Kompositionen betrachtet, so sind sie extrem einfach im Vergleich zum Genie eines Rameau. Für mich ist es faszinierend, dieses letzte Goldene Zeitalter einer spätbarocken Kunst zu erleben.

Soli Dei Gloria
Euer
Fra Bernardo (alias Bernhard Trebuch)

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