Das Activism Festival in Tirana
Revolutionen nach Drehbuch
Sie sind jung, selbstbewusst, sprechen meist gut Englisch, haben oft im Westen studiert und verstehen was vom Umgang mit Medien und Internet. Sie werden bewundert und gefürchtet, vor allem von post-sowjetischen Diktaturen und Regimes, denn ihr Ziel ist deren Sturz.
8. April 2017, 21:58
Ausschnitt aus der Eröffnung des Activism Festivals
Von Belgrad über Kiew bis Beirut: Es waren Gruppen mehr oder weniger organisierter Jugendlicher, die Regierungen stürzten. In Tirana trafen sich Anfang Juni erstmals Vertreter dieser so genannten "Farbrevolutionen" zum Erfahrungsaustausch. Denn nicht alles passiert spontan.
Das Activism Festival in Tirana
Zahlreiche Delegierte von sozialen Bewegungen, Menschenrechts- und Jugendorganisationen aus 14 Nationen waren in die albanische Hauptstadt gekommen. Drei Tage lang tauschten sie Erfahrungen über den Sturz von Diktaturen, korrupten Regimes und den Kampf für Demokratie, vor allem in postsowjetischen Staaten, aus.
Ihr gemeinsames Ziel: Strategien zu entwickeln, um der Demokratie in ihren Ländern zum Durchbruch zu verhelfen.
Bewundert und gefürchtet
Viele dieser Jungaktivisten sind bereits bekannt. Sie agieren unter dem Sammelbegriff "Farbrevolutionen", wie zum Beispiel der Rosenrevolution in Georgien, der orangenen in der Ukraine, der Zedernrevolution im Libanon, der erwarteten Kornblumen-Revolution in Weißrussland oder der grünen Revolution in Aserbeidschan. Ihre Organisationen heißen "Kmara" - "Es reicht! in Georgien, "Pora" - "Es ist an der Zeit" in der Ukraine, "Zubr"- "Bison" in Weißrussland, "Yox" - "Nein" in Aserbeidschan, "Bolga" - "Hammer" in Usbekistan oder "Nabad Al Horriye - "Puls der Freiheit im Libanon.
Alle diese Organisationen haben eines gemeinsam: Es sind Protestbewegungen des gewaltlosen Widerstands. Sie sind selbstbewusst, jung, sprechen meist gut Englisch, haben oft im Westen studiert und verstehen was vom Umgang mit Medien und Internet. Sie werden bewundert, aber auch gefürchtet, vor allem von post-sowjetischen Diktaturen und Regimes, denn ihr Ziel ist deren Sturz.
Das strahlende Vorbild
Die serbische Gruppe "Otpor" - "Widerstand" ist ihr strahlendes Vorbild - eine Gruppe, die im Oktober 2000 in Belgrad mit dem Sturz des serbischen Diktators Slobodan Milosevic Geschichte geschrieben hat.
Inzwischen haben die erfolgreichen Umstürzler aus Belgrad ein Beratungsinstitut für soziale Bewegungen gegründet, denn "Farbrevolutionen" kann man lernen, sagen sie ...
Der Revolutions-Cocktail
Man nehme etwas Gandhi, ein Handbuch über erfolgreiches Marketing und Kommunikationsstrategien, das Internet, reichere das Ganze mit dem Spaßfaktor an und sorge dann dafür, dass die nötige Zahl an T-Shirts, Stickers, Fahnen , Schals und Flugblättern da ist, und schon hat man die wesentlichen Ingredienzien für die Rezeptur einer erfolgreichen "Farbrevolution".
Nach Tiflis und Kiew hat "Otpor" Trainer und Kampagnenmanager geschickt. Die Veteranen des serbischen Umsturzes sind inzwischen zu gefürchteten Revolutionsexporteuren geworden.
Wie ein Virus bis Arabien und Mittelasien
Die Jugendbewegungen des gewaltlosen Widerstands für Demokratie machen auch nicht Halt vor den Grenzen der EU. Neuerdings hat sich sogar in Kairo eine Gruppierung namens "Kifaya" -"Genug" gebildet, die sich gegen die autoritäre Herrschaft Mubaraks für ein demokratisches Ägypten engagiert.
Aber das Revolutionsvirus ist auch bis nach Mittelasien vorgedrungen. Dikatoren wie Islam Karimov in Usbekistan, Ilham Alijew in Aserbeidschan oder Aleksandr Lukaschenko in Weißrussland fürchten nichts mehr als solche Bewegungen im eigenen Land.
Marionetten des Westens?
Keine Frage! Das vom amerikanischen Kongress finanzierte Endowment for Democracy oder die Open Society Foundation des Multimilliardärs George Soros haben Trainer und Kampagnenmanager für die "Revolutionen nach Drehbuch" bezahlt. Den "Farbrevolutionen" ist vom Westen und vor allem von den USA mit Millionen Dollar kräftig unter die Arme gegriffen worden.
Dennoch: Alle diese Bewegungen sind deshalb keine - wie in Europa meist gemutmaßt wird - Implantate im Machtpoker von US-State-Department und Pentagon oder gar CIA-Marionetten des von George Bush jun. ausgerufenen "Kreuzzugs für Demokratie". Sie sind erst einmal aus den zivilgesellschaftlichen Strukturen der jeweiligen Länder hervorgegangene interne Protestbewegungen.
Daher ist es hoch an der Zeit, sie in Europa als das zu erkennen und zu unterstützen, was sie vor allem sind, Bewegungen einer zweiten Welle von Demokratisierung in Ländern mit maroden, diktatorischen Regimes, vor allem im postsowjetischen Raum.
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Links
Wikipedia - Kmara
Otpor
MJAFT
Pora
Kuchmizm-Info