Rachinger und Leibnitz im "Klassik-Treffpunkt"

Große Herausforderungen

Seit ihrem Amtsantritt hat sie einiges bewegt: Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek. So wird im Herbst nun das neue Domizil der Musiksammlung im Palais Mollard eröffnet. Und 2007 werden alle Sammlungen saniert sein.

Sie freue sich, weitere "große Herausforderungen in der ÖNB angehen" zu können - das sagte Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) im Vorjahr anlässlich ihrer Vertragsverlängerung bis 2011. Und seit ihrem Amtsantritt 2001 hat sie bereits einiges bewegt: So ist für kommenden Herbst die Eröffnung des Palais Mollard in der Herrengasse 9, wo die Musiksammlung, das Globenmuseum und das Esperantomuseum einziehen, geplant.

Anlässlich der bevorstehenden Eröffnung dieser neuen Räumlichkeiten der ÖNB sind diesmal Generaldirektorin Johanna Rachinger und Thomas Leibnitz, der Leiter der Musiksammlung, live zu Gast bei Heide Tenner im "Ö1 Klassik-Treffpunkt" im ORF-KulturCafé des RadioKulturhauses.

Sanierung bis 2007 abgeschlossen

Das Bildarchiv wird heuer und im nächsten Jahr generalsaniert. Für die Kartensammlung, die unter großer Raumnot leidet, sieht ein Konzept den Ausbau des darüber liegenden Dachbodens vor. "Damit hätten wir dann 2007 alle Sammlungen auf einem modernen, zeitgemäßen Standard", so Rachinger optimistisch bei der Pressekonferenz im vergangenen Frühjahr.

Zu den bereits sanierten der Hauptlesesäle, die seit September des Vorjahres wieder geöffnet sind, und zur Errichtung einer Leselounge habe man "sehr positive Rückmeldungen". Auch in der Handschriftensammlung wurde der Lesesaal saniert und mit einem behindertengerechten Zugang versehen. Während man in den übrigen Sammlungen sowie im Prunksaal bei den Besucherzahlen "einen gewissen Zenit erreicht" hat, erwartet sich Rachinger vom Palais Mollard sehr viel: "Wir haben dort sehr viel bessere Öffnungszeiten, eine sehr viel bessere Lage, es wird besser beworben werden."

Neuer Tiefspeicher benötigt

"2010 wird unser Tiefspeicher voll sein", gab die Direktorin einen mittelfristigen Ausblick. Für den geplanten neuen, viergeschossigen Tiefspeicher unter dem südlichen Teil des Heldenplatzes rechnet man mit rund 40 Mio. Euro Baukosten. Damit könnte die ÖNB ihren Magazinbedarf für weitere 50 bis 60 Jahre decken. Allerdings: "Das Projekt ist noch nicht finanziert."

Fortschritte bei Restitution

Bei der Restitution schreite die Ausforschung von Erben "besser voran als erwartet", bis Ende des Jahres könnte das Kapitel geschlossen werden: "Es ist uns daran gelegen, dass wir diese Objekte so rasch wie möglich zurückgeben", so Rachinger.

Dass sich die ÖNB von den "braunen Flecken" der NS-Zeit befreien will, bewies Rachinger nicht zuletzt mit der Schau "Geraubte Bücher". Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit", die bis Jänner dieses Jahres gezeigt wurde. Dokumentiert wurde darin, u. a. an Hand exemplarischer Fälle, die unrechtmäßige Erwerbungspolitik des Hauses in der NS-Zeit ebenso wie die Restitutionsgeschichte von der Nachkriegszeit bis zur heutigen Provenienzforschung. Man habe damit "nicht so sehr einer gesetzlichen als einer moralischen Verpflichtung nachkommen" wollen.

"Junge Republik" und Start für Mozart-Jahr

Als Beitrag zum Jubiläums-Jahr 2005 zeigt die ÖNB bis 31. Oktober im Prunksaal die Schau "Die junge Republik. Alltagsbilder aus Österreich 1945-1955", ein visuelles Panorama, das aus dem Bildarchiv sowie aus Plakat- und Zeitschriftensammlung zusammengestellt wurde.

Ab 23. November folgt dann "Mozart. Das Requiem" als Einstimmung auf das Mozart-Jahr 2006. Dabei werden neben der Originalhandschrift des Requiems auch die Erstdrucke von "Zauberflöte" und "La Clemenza di Tito" sowie Porträts von Mozart und andere Zeitdokumente gezeigt.

Beginn im Wiener Frauenverlag

Johanna Rachinger trat im Juni 2001 die Stelle als ÖNB-Generaldirektorin an. Die Oberösterreicherin aus Putzleinsdorf im Mühlviertel hat Germanistik und Theaterwissenschaften studiert und war ab 1987 Lektorin im Wiener Frauenverlag.

In Salzburg sammelte sie Erfahrungen im Bereich der öffentlichen Bibliotheken, bevor sie die Betreuung des Kinder- und Jugendbuchbereichs des Ueberreuter Verlags übernahm. Dort stieg sie 1996 zur Geschäftsführerin auf.

Musiksammlung präsentiert sich neu

"Die Zettelkataloge sind bereits Vergangenheit, ab kommenden November werden alle Kataloge bereits elektronisch abrufbar sein. Und wir werden künftig unsere Kostbarkeiten der Öffentlichkeit stärker der Öffentlichkeit präsentieren können", freut sich Thomas Leibnitz, Direktor der ÖNB-Musiksammlung, auf die neuen Räumlichkeiten im Palais Mollard, die bis Ende Oktober bezogen sein werden.

Ein diesbezügliches Novum ist der Musik-Salon, der in einem Saal in der Bel Etage, wo etwa 80 Personen Platz haben, stattfinden werden: "Diese Gesprächs-Konzerte, die sechs Mal jährlich geplant sind, haben ein gemischtes Programm. Im Zentrum steht aber die zeitgenössische Musik", erklärt Leibnitz. So wird es zur Eröffnung einen Cerha-Abend geben.

Leiter mit Musikausbildung

Thomas Leibnitz, gebürtiger Wiener, Jahrgang 1955, ist seit 2002 Direktor der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Er absolvierte das Studium der Musikwissenschaft und Germanistik an der Universität Wien. Daneben studierte er Violine und Klavier an der Musiklehranstalt der Stadt Wien. 1980 schrieb er seine Dissertation über "Karl Nawratil (1936-1914). Eine Studie zu Milieu und Stil musikalischer Tagesproduktion im Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts".

Ab 1978 war er Mitarbeiter des Instituts für Österreichische Musikdokumentation, seit 1986 wissenschaftlicher Bibliothekar der Musiksammlung der ÖNB.

CD der Woche
Werke von Tchaikovsky, Verdi und Sibelius, The West-Eastern Divan-Orchestra unter Daniel Barenboim, Warner Classics 2564-62190-5 (CD + DVD)

Veranstaltungs-Tipp
Ausstellung "Die junge Republik. Alltagsbilder aus Österreich 1945-1955", bis 31. Oktober 2005, Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek

Links
Österreichische Nationalbibliothek
Warner Classics