Musikalische Intention
Jazz in Deutschland
In der dunklen Zeit des Nationalsozialismus war Jazz in Deutschland verboten. Dennoch fanden sich Musiker, die ihn als Ausdruck ihres politischen Widerstands spielten. Doch Jazz kam aus Amerika. Die Entwicklung der eigenen deutschen Szene brauchte Zeit.
8. April 2017, 21:58
Jazz ist nicht ein eindeutiger Stil, eher ein Produkt, das einer bestimmten Einstellung der Musiker entspringt, die improvisierend die Möglichkeiten ihrer musikalischen Intentionen ausloten. Die US-dominierten Major Labels, die den Plattenvertrieb in Europa kontrollieren, konnten immer mittels gewaltigen Werbeaufwandes die Vorherrschaft des Jazz aus Amerika - wo dieser ja seinen Ursprung hatte - verkünden und damit alles übertönen. Erst langsam bauten sich lokale Jazz-Szenen auf, beispielsweise in Deutschland.
Emanzipation und Originalität
Nach Kriegsende dominierte in Europa - als Ausdruck des Neuen Deutschlands - die Imitation der amerikanischen Jazz-Musik. Es gab wohl sogar so etwas wie einen Wettbewerb unter den Musikern, so amerikanisch wie möglich zu spielen. Und der wurde in USA positiv aufgenommen. 1958 wurde eine Jugend-Band aus Deutschland mit dem Posaunisten Albert Mangelsdorff zum Newport-Festival eingeladen, wo sie mit großer Begeisterung aufgenommen wurde.
Das bald darauf gegründete Mangelsdorff Quintett lotete in seinen Stücken die Möglichkeiten des Jazz aus. Als Ethno-Jazz auf modaler Basis kann man heute das Album "Now Jazz Ramwong von 1964 bezeichnen. Und als Albert Mangelsdorff seine Multiphonic-Technik, das mehrstimmige Spiel auf der Posaune einsetzte, musste auch die formale Struktur der Musik neuen Gesetzen folgen. Das war der Beginn des europäischen Jazz.
Originalität in der Nachahmung
Free Jazz nannte man in den 60er und 70er Jahren die stilische und klangliche Erweiterung des Jazz-Idioms - unabhängig von ihren Ausgangspunkten - in der Musik der Black-Power-Zentren Chicago und Detroit einerseits, in den Traditionen Europas andererseits.
Heute, in Zeiten unbeschränkter und meist unbedachter Cross-Over-Experimente bedarf es einer besonderen Sensibilität, die musikalisch wirklich interessanten Ergebnisse hinter den lautstark propagierten Produkten wahrzunehmen.
Heinz Sauer (Jahrgang 1932), Saxofonist des legendären Mangelsdorff-Quintetts, hat mit dem jungen Pianisten Michael Wollny (Jahrgang 1978) ein Duo-Abum eingespielt, das in vielen Facetten die Entwicklung des europäischen Jazz wieder spiegelt (sich aber auch an Kompositionen von Thelonious Monk misst).
Die Schönborn-Simpson-Connection
Eine bedeutende Anzahl von Jazz-Formationen in Deutschland zeichnet sich heute durch originelle Arrangements und Klanglichkeit aus, die aus Jazz-Originals entwickelt wurden. Besonders fündig wird man diesbezüglich beim Label JazznArts, das seinen Sitz in Mannheim hat. Gegründet wurde es von Fritz Münzer, Thomas Siffling und Olaf Schönborn.
Fritz Münzer, der Senior-Chef, war in den 60er Jahren der wichtigste Schlagzeuger des Hard Bop in Deutschland, unter anderem bei Albert Mangelsdorff. -Als Trompeter erhielt Thomas Siffling kürzlich den Jazz-Preis von Baden-Württemberg. Kompagnon Olaf Schönborn ist einer der wichtigen Saxofonisten Deutschlands und leitet die Band Acoustic Affair mit der Sängerin Anette Kienzle.
Hör-Tipp
Spielräume, Donnerstag, 25. August 2005, 17:30 Uhr
Links
Jazz 4 you - Jazz in Deutschland
Thomas Siffling
Rodenstein Records
JazznArts