Fragwürdiger Alternativtourismus
Kriegs.Schau.Plätze
Zehn Jahre nach dem Kriegsende im ehemaligen Jugoslawien ist der Fremdenverkehr an die Strände Dalmatiens zurückgekehrt. Findige Tourismusmanager haben die Orte der Zerstörung zu Touristenzielen erklärt und finden zahlreiche Interessenten.
8. April 2017, 21:58
Eine neue 400 km lange Autobahn verbindet die kroatische Hauptstadt Zagreb mit Split. In etwa vier Stunden Reisezeit kommt man nach Süddalmatien. Die kroatische Adria ist in diesen Sommermonaten von Touristen überschwemmt.
Die Reisenden, die bis zum Zeitpunkt der Eröffnung der neuen Autobahn die alte Bundesstrasse benutzt haben, konnten schon 50 Kilometer von Zagreb entfernt, bei der Stadt Karlovac, die Folgen des vor zehn Jahren beendeten Kriegs noch sehen. Die ganze Strasse entlang liegen die völlig zerstörten und verlassenen Dörfer.
Die Neugierigen verließen ihre Autos und fotografierten die Kriegslandschaft. Sie konnten sich nicht, aus Angst vor der verminten Umgebung, weit von der Strasse bewegen. Heute sind in Kroatien, zehn Jahren nach dem Kriegsende, diese traurigen Reste der Zerstörung beseitigt und die neue Autobahn lässt auch kaum Möglichkeit, die sporadisch zurück gebliebenen Trümmer zu wahrzunehmen.
Um die Neugier der Touristen die Zeugnisse der letzten Kriege in Europa zu sehen, organisieren nun Anbieter Ausflüge ins benachbarte Bosnien und Herzegowina. Mostar ist kaum mehr als 100 Kilometer von allen bekannten Badeorten Süddalmatiens entfernt.
Ausbeutung der eigenen Vergangenheit
An einem der Strände von Dubrovnik werden auch die Städte Sarajevo und Mostar als Ausflugsziele angeboten. Der Anbieter, der aus Gornji Vakuf in Zentralbosnien stammt, reagiert mit gewissem Zorn, auf das große touristische Interesse für diese vom Krieg gezeichnete Ziele. Er selber habe in diesem Krieg alles verloren, seinen Sohn und sein Heim. Er musste fliehen, wurde verwundet und sieht sich jetzt genötigt, die Ruinen seines Landes an Fremde als sein touristisches Angebot verkaufen.
Den Fall und Zerfall seines Staates erklärt er, typischerweise, als eine internationale Verschwörung und gleichzeitig kann er die Verantwortung seiner Gruppe und ihrer Führer nicht akzeptieren. Der Mann betont im Gespräch immer wieder, vielleicht aus Gewissensbissen, dass er nur die Naturschönheit Bosniens verkauft und dass für die Gräueltaten des Kriegs die anderen verantwortlich seien.
Touristenhochburg Mostar
Wenn die Reisengruppen ihr Ziel in Bosnien erreichen, bekommen sie einen Fremdenführer aus dem jeweiligen Ort zugeteilt. Eine Gruppe aus England steht vor dem völlig zerbombten Gebäude der damaligen Zentrale der Energiegesellschaft in Mostar. Der Fremdenführer erzählt, mit emotionsloser Stimme, wann, von wem und unter welchen Gefechten das Gebäude zerstört worden ist. Die Touristen schauen, fotografieren und folgen ohne Fragen ihren Führer bis zum nächsten Denkmal des Krieges.
Ob sie die Umstände dieses Krieges verstanden haben, bleibt fraglich, aber die Folgen sind noch immer mehr als offensichtlich. Der ganze alte Kern von Mostar war zerstört und die rekonstruierten Häusern und Objekte machen den Schaden, ihren "Neuheit" wegen, noch präsenter.
Überall, in jedem Haus, ist entweder ein Restaurant, ein Caféhaus oder ein Souvenirgeschäft. Man kann in Ruhe sein erfrischendes Getränk genießen und die Ströme der Touristen in den Halbruinen beobachten.
Es gibt, aus größerer Munition, Vasen und andere nützliche Produkte. Die Ansichtskarten mit verwüsteter Stadt und mit der zerstörten Brücke von Mostar schickt man in alle Richtungen. Die Anspruchsvollen könnten die üppigen Broschüren mit den Fotos der einzelnen Gebäude, vor und nach der Zerstörung, kaufen. Der Text ist im Allgemeinen sehr spärlich und beschränkt sich nur auf das Nötigste - die Fotos sprechen für sich.
Die dreistündige Rückkehr genügt den meisten, um die Erfahrungen zu ordnen und sich für den nächsten Tag am Strand vorzubereiten.
Hör-Tipp
Gast im Europajournal-Sommergespräch diese Woche ist der kroatische Regierungschef Ivo Sanader.
Mehr dazu in Ö1 Programm