Ausflug in Geschichte

Skylla

"Es ist dann doch eine sehr ungewöhnliche, merkwürdige Geschichte geworden", sagt Peter Schneider selbst über sein Buch. Mithilfe eines Mosaiks wird darin auf ungewöhnliche Art 2000 Jahre alte Vergangenheit mit der Gegenwart verbunden.

Eine ungewöhnliche Geschichte ist es, die der deutsche Autor Peter Schneider in seinem neuen Roman mit dem Titel "Skylla" erzählt. Dabei beginnt alles eigentlich ganz harmlos: Rechtsanwalt Leo Brenner und seine Frau Lucynna kaufen ein Grundstück im süditalienschen Latium und wollen darauf ein Haus bauen - ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Die einheimischen Bauherren und Architekten scheinen allesamt nur darauf aus zu sein, die gutgläubigen Fremden zu betrügen.

Faszinierende Vergangenheit

Bis hierher verhält sich Peter Schneiders Roman wie eine Satire, eine bitterböse und gleichzeitig komische Persiflage auf das Zusammenprallen zweier grundverschiedener Lebensarten. Dann aber entdeckt Lucynna ein römisches Mosaik auf dem Grundstück, ein Mosaik, das den Seehelden Odysseus und seine Männer im Kampf mit dem Ungeheuer Skylla zeigt.

Hobby-Archäologin Lucynna ist begeistert von dem Mosaik, begeistert auch von der Geschichte der Region, vom römischen Kaiser Tiberius, der sich hier in Höhlen und Grotten versteckte, und vom Wettstreit zweier Archäologen-Teams, die sich mit der Rekonstruktion der römischen Skylla-Plastik beschäftigen, von der nur Tausende Scherben gefunden wurden.

Peter Schneider hat selbst Geschichte studiert und auch für ihn hat die Vergangenheit eine ganz besondere Faszination: "Ich glaube, dass sich jeder einzelne und auch jede Generation die Vergangenheit neu zurechtstrickt. Das hat mich herausgefordert, gerade bei der Geschichte der Zusammensetzung dieser 10.000 Scherben. Am Ende hat man vielleicht ein geniales Rekonstrukt vor sich, eine Rekonstruktion, aber sie erzählt ebenso viel über den Rekonstrukteur und seine Zeit wie über das Original, das nicht mehr da ist."

Düstere Töne

Immer tiefer gerät Lucynna in den Sog der Vergangenheit, erst recht als das Mosaik plötzlich gestohlen wird und die Suche nach dem Dieb beginnt. Der heitere Tenor des Romans wird durchbrochen von düsteren Tönen, von der Geschichte einer Passion, die Lucynna unbeirrt verfolgt und die die Ehe der beiden Protagonisten auf eine harte Probe stellt.

Einmal, als ich im Morgengrauen wach wurde und nach Lucynna tastete, fand ich den Platz neben mir leer. Im Halbschlaf stolperte ich auf die Terrasse. Im dämmernden Licht sah ich Lucynna hinter dem Teleskop. Dort saß sie, unbewegt wie eine Statue und mit dem Auge an der Linse, auf ein paar übereinander gelegten Ziegelsteinen und starrte in die Weite, als würde sie auf ein Zeichen warten. Der Estrich verschluckte meine Schritte. Als ich sie berührte, schreckte sie zusammen, als wäre ich ein Fremder, ein Feind. Ihr Gesicht hellte sich nicht auf, als sie mich erkannte. Statt mir zu erklären, was sie hier zu dieser frühen Morgenstunde trieb, warf sie mir vor, ich hätte ihr die Sicht verdorben!

Klug und unterhaltend

Krimi, Groteske, Thriller oder Komödie: Peter Schneiders Roman ist von allem etwas, bringt das Kunststück zuwege, ganz verschiedene Genres zu vereinen und dennoch nicht unglaubwürdig zu werden. Wie die Archäologen, die versuchen, die Plastik der Skylla aus Tausenden Einzelteilen zusammenzusetzen, hat auch der Autor selbst verschiedene Teile miteinander verbunden und daraus ein beeindruckendes Ganzes geschaffen.

Dabei ist Peter Schneiders Roman nicht prätentiös oder belehrend, vielmehr ein gleichzeitig kluges und unterhaltendes Buch, das amüsiert, bewegt und fesselt - und das ganz nebenbei auch eine Menge geschichtlicher Informationen enthält. Eben ein Buch, dem man anmerkt, welche Freude der Autor beim Schreiben hatte und das diese Freude ungeschmälert an den Leser weitergibt.

Buch-Tipp
Peter Schneider, "Skylla”, Rowohlt Verlag, ISBN 387134432X