Komponist in tristen Zeiten

Heißblütige Opernhelden

Müsste man schnell die zehn beliebtesten Werke der Operngeschichte nennen, Pietro Mascagnis " Cavalleria rusticana" wäre mit Sicherheit dabei. Dennoch hat er noch weitere vierzehn Opern und eine Operette geschrieben. Genau heute vor 60 Jahren starb er.

Auf den Tag genau heute vor 60 Jahren, starb in einem römischen Hotel der Komponist und Dirigent Pietro Mascagni im 82. Lebensjahr. Der Zweite Weltkrieg, die politischen Verhältnisse in seiner italienischen Heimat und das Wissen seiner Landsleute, dass er dem Mussolini-Regime einst verdächtig nahe gestanden war, das alles hat ihm seine letzten Lebensjahre nicht gerade leicht gemacht. Ganz abgesehen davon, dass sich sein Ruhm als Komponist eigentlich nach wie vor nur auf seinen einstigen Erstlingserfolg "Cavalleria rusticana" stützte, all seine anderen Bühnenwerke hingegen waren und sind bis heute nur mehr oder weniger Achtungserfolge geblieben.

Sensationserfolg

Nur knapp eineinhalb Jahre nach dem Sensationserfolg der "Cavalleria" hat die Uraufführung der leichten, duftigen Komödie "L'amico Fritz" stattgefunden. Abermals am Teatro Constanzi von Rom, wo am Premierenabend gleich sieben Nummern wiederholt werden mussten. Dennoch, gesamt gesehen, reichte der Triumph nicht einmal annähernd an den der "Cavalleria" heran.

Für die Oper "Freund Fritz" könnte es auch in unseren Tagen vielleicht wieder eine Renaissance geben. Geeignete Sängerinnen und Sänger wären jedenfalls genügend vorhanden, weit mehr als für die dramatischen Brocken aus dem Oeuvre von Mascagni, die oft unüberwindbare Hürden vor allem für Tenöre darstellen.

Iris

1898 und wieder am Teatro Constanzi in Rom ist "Iris", eine Vorläuferin von Puccinis "Butterfly", also ein Modestoff der damaligen Zeit, die von der fernöstlichen Exotik sehr fasziniert gewesen ist, erstmals über die Bühne gegangen. Sie war noch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, vor allem in Italien, ein häufiger gespieltes Stück. Vor allem dank großer Interpreten, angefangen von den Uraufführungs-Sängern Fernando de Lucia und Hariclea Darclée, die später ja auch die erste "Tosca" war, bis zu Caruso, Gigli, di Stefano bzw. Lucrezia Bori, Rosetta Pampanini und vor allem natürlich der Verismo-Diva schlechthin: Magda Olivero

Eine Künstlerin, die sich in unseren Tagen einerseits stets für Belcanto-Raritäten, anderseits aber auch für den Verismo und im speziellen für Mascagni einsetzt, ist Denia Mazzola-Gavazzeni, die eher noch junge Witwe des verstorbenen Altmeisters Gianandrea Gavazzeni. 1999 war sie bei Radio France Mascagnis Parisina in einer konzertanten Aufführung beim Montpellier-Festival, zwei Jahre später hat sie mit dem Nationalorchester von Montpellier eine Doppel-CD - ausschließlich mit Mascagni-Heroinen - eingespielt.

Isabeau

"Isabeau" ist jene dramatische Legende deren Uraufführung der Komponist am 2. Juni 1911 am Teatro Colon in Buenos Aires geleitet hat und mit der er "alle Debussys und (Richard) Strausse dieser Welt in einem astronomischen Abstand hinter sich lassen wollte“, wie er seinem Librettisten Luigi Illica gegenüber bereits 1908 in einem Brief geäußert hat.

Nun, diese Absicht ist zwar mindestens ebenso astronomisch danebengegangen, noch dazu provozierte der sehr selbstbewusste Mascagni bei der italienischen Erstaufführung an der Scala, ein halbes Jahr später, einen Eklat gegen den von Tullio Serafin für die mörderische Tenor-Hauptrolle vorgesehenen Bernardo de Muro, doch der Schuss sollte nach rückwärts losgehen. Nicht das Stück triumphierte, dafür aber der junge Bernard de Muro, der in der Folge die Partie des Folco angeblich an die 400 mal gesungen haben soll bis zu seiner Abschiedvorstellung mehr als ein Vierteljahrhundert später und mit de Muro verschwand bald auch die ganze "Isabeau".

Nerone

Mascagnis letzte Oper "Nerone“ ging dann 1935 erstmals über die Bühne; Schauplatz war die Mailänder Scala, den Titelhelden verkörperte wie schon bei der gleichnamigen, erst posthum uraufgeführten Oper von Boito wieder Aureliano Pertile. Dem ganzen ging eine groß angelegte Pressekampagne voraus, der Rundfunk übertrug auch ins Ausland, Mussolini selbst hatte sich für die Uraufführung stark gemacht. Die Faschisten übersahen in ihrem Bestreben, Mascagni als künstlerische Gallionsfigur zu benutzen, dabei nicht nur die Tatsache, dass Mascagni 1920 sich mit streikenden Arbeitern solidarisiert hatte und daraufhin eine Zeitlang als Bolschewik galt. Sie erkannten ebenso wenig, dass die Aussage dieses "Nerone" eigentlich nichts anderes war, als eine illusionslose Abrechnung mit der Korrumpierung durch die Macht. Ein Ausschnitt aus dieser Oper findet sich nun auf der italienischen Arienplatte des jüngsten Publikumslieblings Rolando Villazon.

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