Wie viel Schutz verträgt der Westen?

Neue Heimat, alte Werte

Nach der Serie von Terroranschlägen in London ist eine heftige Diskussion ausgebrochen, wie sich die islamischen Einwanderer gegenüber dem Staat verhalten müssen - und wie sich der Staat gegen die Ablehnung westlicher Wertvorstellungen schützen soll.

Am Anfang waren es die Hammel. Beschwerden im Gemeindebau. Der Rauch. Der Geruch. Vom Lärm im Hof ganz zu schweigen. Andere Länder, andere Sitten. Aber die anderen Länder befinden sich heute schon mitten unter uns. Eben im Gemeindebau. Statt im Waschsalon oder beim Heurigen könnte Elizabeth T. Spira einmal dort Stimmung und Stimmen einfangen.

In Großbritannien wird gerade eine heftige Diskussion darüber geführt, wie sich die islamischen Einwanderer (oder Auswanderer) gegenüber dem Staat verhalten müssen, den sie als neue Heimat gewählt haben. Wenn sie nicht ohnehin schon in der zweiten Generation dort aufgewachsen sind. Wie sehr gelten die britischen Gesetze für diese Religionsgemeinschaften? Warum sollten sie "above the law", außerhalb der Gesetze stehen?

Zitat eines islamischen Studenten, wiedergegeben im "Le Figaro": "Die Herrschenden werden nicht in der Lage sein, den Moslems eine Art säkularisierten Islam gegen deren Willen aufzuzwingen. Wenn Großbritannien die Moslems diskriminiert, wird die Frustration der jungen Menschen zunehmen und Selbstmordattacken werden sich häufen."

Wie wird, wie kann der Staat darauf reagieren - und diese Frage trifft nicht nur Tony Blair, sondern die meisten, wenn nicht alle westeuropäischen Länder. Wo beginnt das rechtmäßige Interesse einer Gesellschaft, alle seine Bürger unter ein gemeinschaftliches Dach zu stellen und wo beginnt die - aus subjektiver Sicht vielleicht so verstandene - Diskriminierung?

Gleichzeitig stellt sich für uns alle die Frage, wie viel Überwachung wir akzeptieren wollen, nur weil ein paar Außenseiter es sich in den Kopf gesetzt haben, unsere westlichen Wertvorstellungen in die Luft zu jagen. Dabei geht es nicht nur um die Videoüberwachung, die ja auch in Österreich ausgeweitet werden soll, sondern auch um jede Zeile, die wir auf unserem Computer schreiben, jede Internetseite, die wir öffnen.

Und wie gehen wir mit unseren Nachbarn um - sehen wir bald in jedem Hammelbrater nicht nur einen Luftverstinker, ein Lärmverursacher, sondern auch einen potentiellen Attentäter? Wenn wir so denken, brauchen wir uns auch in kein Auto mehr zu setzen. Jeder Lastwagenlenker ein Geisterfahrer? Jeder Jugendliche nach dem Disco-Besuch ein möglicher Mörder am Volant? Mit Vorurteilen werden wir dem Problem nicht Herr werden.

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Le Monde