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Die Ölpreisfalle schnappt zu
Wurden anfangs noch Terror und Irak-Krieg für die Ölpreisexplosion verantwortlich gemacht, wird nun immer mehr die Ölknappheit - verursacht vor allem durch den rasant ansteigenden Erdölverbrauch in Ostasien - zum Problem. Leidtragende sind vor allem die Autofahrer.
8. April 2017, 21:58
Statements von Johannes Benigni und Hans Strassl
Die Rohölpreise sind seit dem letzten Sommer um rund 60 Prozent gestiegen. Anfangs wurden der Terror und der Irak-Krieg für die Ölpreisexplosion verantwortlich gemacht. Aber Erdöl ist in den letzen zwei Jahren wirklich knapp geworden: Der rasant steigende Verbrauch in Ostasien hat die Märkte völlig überrascht, die Ölproduktion kann kaum Schritt halten. Auswege aus der Ölabhängigkeit gibt es aber gerade im Verkehrswesen so gut wie keine.
Fast 60 Dollar pro Fass
Bis zu 60 Dollar bezahlt man heute für 159 Liter Erdöl. Was vor noch gar nicht so langer Zeit ein Schreckgespenst für die Weltwirtschaft war, ist Wirklichkeit geworden. Die unmittelbaren Anlässe für die Ölpreisexplosion waren vorerst Terror und der Irak-Krieg. Es war die Rede von einem politischen Risikozuschlag. Die Ökonomen haben ausgerechnet, wie viel Prozent vom Ölpreis auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage entfällt und wie viel auf die Angst vor dem Terror.
Johannes Benigni, Österreich-Chef des internationalen Energiehandelshauses PVM, sieht das heute so: "Der Preissprung von 20 auf 30 Dollar war sicher politisch vom Irak-Krieg motiviert. Es waren ja auch Tankschiffe direkt bedroht, also kein Wunder, dass der Markt nervös reagiert hat. Jetzt allerdings haben wir kein politisches Risiko mehr, das in den Ölpreisen enthalten wäre".
Explodierende Nachfrage
Die gewichtigeren Fakten - nämlich eine nahezu explodierende Nachfrage nach Benzin, Diesel und Kerosin - wurden damals angesichts der politischen Krisen und des Terrors übersehen. Erst viel später sind sie ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. 2003 und 2004 kam dann der große Preisanstieg, als die Nachfrage in Ostasien und vor allem in China richtiggehend explodiert ist. Davon sind die Märkte überrascht worden. BP-Austria Chef Hans Strassl dazu: "China hatte in den letzten drei Jahren ein Wirtschaftswachstum von 30 Prozent, und der Ölbedarf stieg in dieser Zeit um 60 Prozent".
Eine neue Ölkrise, vergleichbar mit jener der 70er oder 80er Jahre, als der Ölpreis für kurze Zeit auf damals horrende 44 Dollar in die Höhe schnellte? Kurt Kratena, Energie-Experte im Wirtschaftsforschungsinstitut, sieht es nicht so dramatisch. Denn - so Kratena - berücksichtige man in einem Vergleich die Inflation und die Kaufkraft, so müsste der Ölpreis derzeit schon um die 90 Dollar pro Fass kosten, um wirklich die Alarmglocken schrillen zu lassen.
84 Millionen Fass pro Tag
Dennoch, ein Ende des Allzeit-Hochs bei Erdöl ist auch künftig nicht abzusehen, schon deswegen nicht, weil der weltweite Ölverbrauch weiterhin ständig steigt. Die Internationale Energieagentur in Paris sieht für heuer einen weltweiten Durchschnittsverbrauch von rund 84 Millionen Fass pro Tag, das sind gut zwei Prozent mehr als 2004. Nächstes Jahr soll die Steigerungsrate immer noch mehr als 1,5 Prozent betragen. Mit der Förderung geht es sich für den Rest des Jahres nur knapp aus, weil im Herbst der Verbrauch über den Durchschnitt steigt.
Die OPEC mit 40 Prozent Anteil an der Weltölförderung habe noch Reserven, meint Johannes Benigni, Österreich-Chef des internationalen Energiehandelshauses PVM. Ob die aber rechtzeitig aktiviert werden können, ist jedoch fraglich.
Zu wenig Raffinerien
Mit Rohöl aus dem Boden zu pumpen allein ist es jedenfalls nicht getan. Denn was zur Zeit ebenso knapp ist, das sind die Produkte, weil es zu wenig Raffinerien gibt. Das gehe - so Johannes Benigni - auf die Ostasienkrise Ende der 90er Jahre zurückzuführen. Die Rezession hat die Ölnachfrage dramatisch einbrechen lassen. Raffinerien waren nur zu 60 Prozent ausgelastet, einige wurden geschlossen.
Nicht besser die Lage in den USA, ergänzt BP-Chef Hans Strassl. Dort wurde seit 30 Jahren keine Raffinerie mehr neu gebaut. Ein neues Projekt gibt es, aber da dauert die Genehmigung schon vier Jahre. Allerdings steigen die Anforderungen an die Treibstoffqualität. Da hinken die alten Raffinerien in den USA nach. Führend sind hier die Europäer. Die Amerikaner kaufen daher zunehmend Benzin, Diesel und Kerosin in Europa und treiben damit den Preis bei uns hinauf.
Prognosen für morgen
Bleibt die Frage, wie geht's weiter? BP Austria Chef Hans Strassl verweigert eine Preisprognose. Denn die bisherigen seien alle falsch gewesen, sagt er. Sicher sei nur, Öl bleibe teuer.
Die Ölkonzerne hingegen freuen sich über steigende Gewinne. Sie verdienen vor allem an der Differenz zwischen den tatsächlichen eigenen Förderkosten, und dem Marktpreis. 2002 verdiente der Ölgigant ExxonMobil noch sieben Dollar je Fass allein im Produktionsbereich, jetzt sind es knapp elf Dollar.
Die Politik bleibt gelassen: Etwas weniger Wirtschaftswachstum und eine Inflationsrate von zwei Prozent sind offenbar kein Grund für eine forcierte Energiesparpolitik. Wirtschaftsforscher Kurt Kratena meint, die Wirtschaft insgesamt sei weniger vom Öl abhängig geworden, etwa in der Industrie oder bei der Heizung oder bei der Stromerzeugung; anders bei Transport und Verkehr: Da dominiere das Öl nach wie vor fast völlig.
Keine echten Alternativen in Sicht
Den hohen Treibstoffpreisen auszukommen, sei nur bedingt möglich, sagt Universitäts-Professor Bernhard Geringer von der Technischen Universität Wien. Es gibt schon Autos etwa mit Hybridantrieb, die wahlweise mit Strom aus einer Brennstoffzelle oder Benzin betrieben werden können. Aber der Elektroantrieb bringt nur im Stadtverkehr Vorteile, wenn mit der Bremsenergie die Batterie wieder aufgeladen wird. Auf Überlandfahrten kommt der herkömmliche Benzinmotor zum Einsatz. Und da bleibt alles beim alten; im Gegenteil, weil der Elektromotor mitgeschleppt wird, ist das Auto schwerer und verbraucht mehr.
Neue Motoren - also auch kein Patentrezept. Weniger fahren? Den Verbrauchsrückgang bei Benzin um neun Prozent im heurigen Jahr sieht BP-Chef Hans Strassl weniger als Spareffekt, vielmehr als Umschichtung in Richtung Diesel. Der ARBÖ hingegen meint, die Privaten fahren tatsächlich weniger. Der leicht steigende Dieselverbrauch geht auf das Konto der Frächter.
Und alternative Treibstoffe? Ab Herbst müssen wir dem Benzin mehr Alkohol und dem Diesel mehr Rapsöl beimischen. Aber das macht die Sache - so wie's jetzt aussieht - nur noch teurer.
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Links
BP Austria
BP Global
IEA (Internationale Energieagentur)
PVM (Internationales Energiehandelshaus)
OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder)
WIFO (Wirtschaftsforschungsinstitut)