Anderer Name, fast das gleiche Leben

Der Autor Islands

"Höfundur Islands" betitelte Hallgrimur Helgason sein jüngstes Buch, auf Deutsch: "Der Autor Islands". In Island war somit klar, da geht's um Halldór Laxness. Man muss das nicht wissen, um "Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein" zu genießen, aber es hilft.

Anderer Name, fast das gleiche Leben

In Island war der isländische Nationaldichter und Literaturnobelpreisträger Halldór Laxness schon zu Lebzeiten ein Nationaldenkmal. Nur der galt als wirklich gebildet, der zu jeder Gelegenheit ein passendes Laxness-Zitat aus dem Ärmel schütteln konnte. Oder eine kauzige Anekdote erzählen konnte. Keine Festrede hatte Berechtigung ohne einen Hinweis auf ihn, keine Demonstration, die nicht irgendeinen Zusammenhang mit ihm herstellte. Er war das Lieblingsmotiv aller Karikaturisten und aller Stimmenimitatoren. 1968 wollten ihn sogar die Konservativen als Präsidentschaftskandidaten gewinnen - vergeblich allerdings.

Fast ein Double

Da ist dann klar, dass Hallgrimur Helgassons Buch Aufruhr erregte. Es geht um Laxness, signalisiert der isländische Titel "Höfundur Islands", das heißt wörtlich übersetzt: "Der Autor Islands". Und doch ist "Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein" kein Schlüsselroman, der das Leben von Laxness mehr oder weniger skurril nacherzählt, denn erstmal heißt der ich-erzählende Autor anders, nämlich Einar Jóhann Grimsson (die Ähnlichkeit mit "Grim", dem Signum, unter dem Hallgrimurs Cartoons erscheinen, ist verblüffend!), und dann sind die Lebensdaten andere: Grímson ist zehn Jahre jünger als Laxness und stirbt zwei Jahre später.

Unzweifelhaft trägt der eitle, in feinen englischen Zwirn gekleidete, socken- und gedächtnislose Dandy Grímsson Züge des Verehrten. Räsoniert über schriftstellernde Kollegen. Denkt laut über ästhetische Probleme und literarische Gestaltungsprinzipien nach. Versucht zu ergründen, wie und weshalb er in dieses Tal mit dem seltsamen Namen Heljardalur, Höllental, gekommen ist. Und erkennt schließlich, dass er tot ist, und gezwungen, in einem seiner Romane in den 1950er Jahren zu leben.

Schlimmer allerdings sind die Fehler seines Lebens, die er nicht mehr korrigieren kann, und die sich ihm langsam wieder ins Gedächtnis drängen: Stalin. Seine bedingungslose Unterstützung für den Diktator. Und die anderen kommunistischen Heere. Und - das jedenfalls unterstellt Helgason seinem Laxness-Double - dass er die, deren Leben er auf so beeindruckende Weise schildert, eigentlich verachtet. "Gestapo in Gummistiefeln" murmelt Grimsson, als der knorrige Bauer Hrólfur auf ihn zukommt.

Aushängeschild des Kommunismus

Laxness hat aus seiner Sympathie für den Sozialismus auch nach seiner Abwendung vom Kommunismus, nach seiner schriftlichen Abrechnung "Zeit zu schreiben", keinen Hehl gemacht. Noch 1980 sagte er in einem Interview, seine "sozialen Auffassungen" hätte er nie aufgegeben, hätten ihm auch die Religion ersetzt. Lange Jahre war er als berühmtester Kommunist des Nordens Aushängeschild gewesen, hat er seine Popularität genützt, um für Freunde und Kollegen im Ostblock zu intervenieren, gegen die schlechte Behandlung von Pasternak, gegen die Todesurteile für ungarische Intellektuelle, gegen die Verhaftung von Verlegern in der DDR - meist allerdings erfolglos.

In seinem Werk machte sich ab den 1960ern eine gewisse Resignation breit, und auf die Frage, welches Buch er auf eine einsame Insel mitnehmen würde, sagte Laxness immer und wie aus der Pistole geschossen: "'Das wohltemperierte Klavier' von Johann Sebastian Bach". Besondere Gnade des Schicksals: Der demenzkranke Laxness konnte am Ende seines Lebens - sein Biograf Halldór Gudmundsson spricht von der "einsamen Insel des Alters" - wohl nicht mehr lesen, aber die Fähigkeit, Noten zu lesen und Klavier zu spielen blieb ihm erhalten.

In der Vorhölle, die Hallgrímur Helgason seinem Laxness-Double bereitet, gibt es hingegen keine Musik, nur blökende Schafe.

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Mehr zu Hallgrimur Helgason in oe1.ORF.at

Buch-Tipps
Hallgrímur Helgason, "Vom zweifelhaften Vergnügen, tot zu sein", Verlag Klett-Cotta, ISBN 3608936521

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Halldór Gudmundsson, "Halldór Laxness. Leben und Werk", Steidl Verlag, ISBN 3882438053

Halldór Laxness, "Sein eigener Herr", Steidl Taschenbuch, ISBN 3882438584

Link
Hallgrímur Helgason