Peinigende Töne

Tödliche Musik

Musik ist eine wahrhaft universale Droge. Auf der einen Seite kann sie ungemein anregend und berauschend wirken, auf der anderen Seite auch zur absoluten Tortour werden; sich sogar monströs aufbäumen. Gustav Danzinger auf einem musikalischen Horrortripp.

Können Klänge wirklich töten? Zumindest der chinesische Polizeiminister Ming-Ti im 3. Jahrhundert v. Chr. war davon überzeugt.

Chinesische Lösungen

Warum sonst hätte er dieses Gesetz erlassen sollen:

Wer den Höchsten schmäht, der soll nicht gehängt werden, sondern Flötenspieler, Trommler und Lärmmacher sollen ihm ohne Pause so lange vorspielen, bis er tot zu Boden sinkt. Denn das ist der qualvollste Tod, den ein Mensch erleiden kann.

Der chinesische Innenminister hat verschwiegen, wie die Musiker und Lärmmacher, die da einen Delinquenten "zu Tode spielen“, selber überleben. Vielleicht vermutet er, sie seien abgehärtet, gleichsam immunisiert gegen die vernichtende Wirkung ihres Treibens.

Musiktherapien der anderen Art

Musizieren kann aber grundsätzlich auch für den Ausführenden selber schädlich sein, davon ging jedenfalls E.T.A. Hoffmann aus, als er 1818 die Novelle "Rat Krespel“ schrieb. Da gibt es die schöne Antonia, Tochter des verwitweten Herrn Krespel, die ebenso begabt für eine Gesangskarriere wäre, wie ihre verstorbene Mutter, aber aus Gesundheitsgründen nicht singen darf. Und da kommt der diabolische, dämonische Dr. Mirakel dazu, versetzt sie gleichsam in Trance und gaukelt ihr noch die Erscheinung der Mutter vor, die sie auch zum Singen animiert. Und so singt sich die gute Antonia zu Tod. Übrigens: abgedruckt wurde diese erbauliche Geschichte erstmals im "Frauentaschenbuch für das Jahr 1818“ erschienen in Nürnberg. Noch populärer ist nur Jacques Offenbachs Opernversion "Hoffmanns Erzählungen“ geworden.

Apropos Offenbach: seine Operette "Orpheus in der Unterwelt“ ist eine beißende Parodie auf den Orpheus-Mythos, in den er die Pariser Gesellschaft seiner Zeit kleidete. Doch das Violinsolo, das Orpheus, Konservatoriumsdirektor von Theben, seiner Gattin Eurydike zur Strafe für ihre Lieblosigkeit vorspielt, um sie zu quälen, ist aller Ehren wert: soviel Selbstverleugnung brachte Offenbach nicht auf, eine wahrhaft peinigende Melodie zu schreiben.

Lärm-Folter

In der Antike soll die Todesstrafe manchmal nur allein durch Trommeln vollzogen worden sein und auch das Mittelalter kennt die Lärm-Folter: Opfer wurden an einer Tag und Nacht geläuteten Glocke festgeschnallt und dabei in den Wahnsinn getrieben.

Ähnliches gilt auch für die Meldung, nach der US-Militär in Bagdad Songs von Metallica einsetzte, um irakische Gefangene zu - wie es heißt - "kooperativem Verhalten" zu bewegen. Stundenlang wurden die Inhaftierten auf hoher Lautstärke mit der Musik der Rockband beschallt, bis ihre Widerstandskraft gebrochen war. Einer der "Befrager" erklärte dem "Newsweek"-Magazin:

Glauben Sie mir, es funktioniert, diese Leute haben noch nie Heavy Metal gehört, sie halten das nicht aus. Wenn du einem das 24 Stunden lang vorspielst, dann beginnen Körper und Gehirn zu versagen, deine Gedanken werden langsamer, und dein Wille ist gebrochen. Dann kommen wir rein und reden mit ihnen.

Akustische Phänomene im weitesten Sinne können natürlich Qualen, Schmerzen verursachen. Tragisch war das im Fall von Bedrich Smetana, der vor seiner völligen Ertaubung etliche Wochen lang Tag und Nacht von einem lauten, peinigenden Dauerton geplagt wurde, ein Erlebnis, das in seinem autobiographischen "1. Streichquartett" den abrupten Stimmungswechsel im Finalsatz markiert. Genau hat Smetana den Ton in der Esten Violine wiedergegeben, Tonhöhe ist ein e4!