Ein wahrer Clavierist
Grand Seigneur des Cembalos
Interviews gibt er äußerst ungern und über die Entwicklung der Alte Musik Szene beantwortet kaum Fragen: Gustav Leonhardt. Aber im Spiel des Cembalos ist er noch immer unerreicht. Er ist der Grand Seigneur der Alten Musik.
8. April 2017, 21:58
Geboren am 30. Mai 1928 in Graveland (Nordholland), studierte Gustav Leonhardt Ende der 1940er Jahre an der damals freilich noch nicht so bekannten Schola Cantorum Basiliensis - einer Akademie für Alte Musik - Orgel bei Eduard Müller.
Frühe Erfahrungen
1950 debütiert er in Wien (!) als Cembalist und unterrichtet mit kaum 23 Jahren bereits an der Musik-Akademie der Stadt Cembalo. In Wien trifft Leonhardt auch auf den Pionier der Alten Musik Josef Mertin und auf den an Alter Musik begeisterten Nikolaus Harnoncourt. In den 50er Jahren macht Leonhardt auch seine erste Aufnahme der "Goldberg Variationen", begleitet der britischen Countertenor Alfred Deller und spielt mit Nikolaus Harnoncourt und Lars Fryden die "Pièces de Clavecin" von Rameau ein.
Filmdebüt
1967: Gustav Leonhardt darf im Film den Musiker spielen, den er vielleicht am meisten liebt: Johann Sebastian Bach. Der Regisseur Jean- Marie Straub zeigt das Leben Bachs in einer unorthodoxen Darstellung. Der Film ist weder eine traditionelle Musiker-Biografie noch ein Kulturfilm über Bach. Er entdeckt vielmehr im Historischen das Bewegende eines arbeitsreichen Lebens und verweist - nicht zuletzt durch Struktur und Stil - auf dessen gegenwärtige Bedeutung. Ein vom inhaltlichen und formalen Konzept ungewöhnlicher Film.
Gemeinsam mit Nikolaus Harnoncourt startet er 1971 das Mammutprojekt der Gesamtaufnahme aller Bach-Kantaten. Ein Projekt, das in vielerlei Hinsicht heute noch unerreicht ist. Freilich blieben damals - laut Leonhardt - noch viele Fragen offen, doch der Eindruck des spontanen Musizierens überwältigt nach wie vor. Bemerkenswert auch die Leitungen der Knabenchöre: der Wiener Sängerknaben, des Tölzer Knabenchors oder des Knabenchors Hannover aus deren Reihen auch die Sopran- und Altsolisten kamen.
Lebendige Interpretation
Gustav Leonhardt liebt schnelle Autos und guten Wein. Vor allem liebt er aber die Musik und seine Tasteninstrumente: Orgel, Cembalo, Clavichord und Hammerklavier. Beinahe unzählige Aufnahmen zeugen von seiner Kunst. Die jüngste Produktion ist Werken von William Byrd gewidmet. Unerreicht, wie Leonhardt auch noch im hohen Alter - eigentlich muss ich schreiben - alle seine Kollegen aussticht. Mit welcher Ruhe und inegalité er die Fantasia "ut re mi fa sol la" oder die Tänze Byrds spielt. Gut kann ich mich noch erinnern, wie ich als Teenager 1973 Leonhardt Aufnahme auf historischen Cembali des Germanischen Natiionalmuseums hörte. Ein bis dahin noch nie gehörter Klang, Cembali die wirklich singen, Musik, die atmet. Leider ist diese Produktion noch nicht auf CD wieder veröffentlicht worden. Doch Gustav Leonhardt spielt weiter und ich freu mich schon auf seine nächsten Produktionen.
Soli Deo Gloria
Euer
Fra Bernardo
CD-Tipp
William Bird, Werke mit Gustav Leonhardt, Alpha 073
Links
Schola Cantorum Basiliensis
Alpha