Probleme am barocken Arbeitsmarkt
Musikalische Globalisierung
Diese Woche befindet sich Fra Bernardo in einem italienischen Kloster und wird - ganz der barocken Tradition folgend - nicht auf Kulinarisches verzichten. Denn: Liebe geht durch den Magen, auch zum Allerhöchsten. Telemann hat inzwischen andere Sorgen.
8. April 2017, 21:58
Fra Bernardo hat mir versichert, dass er auf sich achten und zur Labung auf kulinarische Köstlichkeiten wie Rotwein, Fasan und dem Verkosten diverser Käsesorten nicht verzichten würde. Denn - wie heißt es - Liebe geht durch den Magen, auch jene zum Allerhöchsten.
Denn: die europäische Barockzeit war sehr vielfältig. Wir widmen uns aber einem Musiker, der sich weniger der damals ausschweifend-katholischen als der sachlich-lutherischen Kirche zugehörig fühlte: Georg Philipp Telemann. Beruflicher Ärger und Existenzsorgen ließen auch ihn erfinderisch werden, denn schon damals gab es die Probleme der Globalisierung.
Globalisierung
Globalisierung ist nicht erst ein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Alle Musiker bis zum 18. Jahrhundert waren dieser Internationalität verpflichtet. Vorrang hatten in Europa - das ja damals im allgemeinen Bewusstsein die ganze Welt bedeutete - vor allem italienische Musiker.
Also, was damals allen Musikern, die sich der höfischen oder auch einer hoch entwickelten Gauklerkunst verschrieben, gemeinsam war, war das Sammeln von Erfahrungen und die Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung. Sie zogen aus, um danach zu suchen.
Im Zeitalter der Romanik sagte man dazu: einer geht auf die Walz. Oder später noch, um die Jahrhundertwende zur Zeit Gustav Mahlers, hieß es: man muss erst künstlerisch bspw. in Olmütz bestehen, damit man in Wien musikalisch Boden fassen kann. Na ja.
Berufliche Sorgen
Aber wieder zurück zur Barockzeit auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Es blieb also auch den begabtesten Musikern nichts anderes übrig, sich ihr Leben lang immer wieder um berufliche Verbesserungen zu kümmern und in andere Städte oder Länder auszuweichen (für Nichtitaliener weitaus schwieriger). Auch, wenn man nicht mehr blutjung war, wie es der 41jährige Georg Philipp Telemann zumindest in Erwägung gezogen hatte.
Der schreibfreudige Komponist, der gleich mehrere Autobiografien verfasste, hatte im Jahr 1722 zwar eine spannende Tätigkeit als Kantor am Johanneum und Musikdirektor der fünf Hauptkirchen in Hamburg inne, bewarb sich aber als Thomaskantor in Leipzig. Die Bewerbung zog er erst zurück, als ihm die Hamburger Behörden Erleichterungen und die Verbesserung seiner beruflichen Position zugestanden. Ein kluger Schachzug!
Telemanns Curriculum
Sein selbst verfasster Curriculum Vitae lautete wie folgt (nicht berücksichtigt wurde hiebei die Neue Rechtschreibung anno 2005, daher sollte man ihn für heutige Bewerbungen nicht unbedingt zum Vorbild nehmen):
Ich bin in Magdeburg, von einem Prediger in der Heil. Geist Kirche, Henrico, gezeuget, Ao 1681. Meine Schulen sind gewesen: In Magdebg. die Alt-Städter, hernach die Dohm Schule, hierauf die auf dem Zellerfelde auf dem Harze, u. endlich das Gymnasium zu Hildesheim. Die Universität war Leipzig, wo ich 4. Jahre gewesen. Die Music habe ich zeitig getrieben, und schon im 11.ten oder 12.ten Jahre eine Oper, so auch in Magdebg. Aufgeführet worden, verfertiget, zugeschweigen der Kirchen-Stücke u. Moteten fürs Chor, deren ich schon vorher eine ziemliche Anzahl gemacht, wobey ich zugleich fürs letztere verschiedene Arien poetisch aufgesetzet, wie ich auch nicht weniger die Flöte à bec, Violine nebst dem Claviere, ergriffen, u. mich auf dem letztern gleich zum General-Basse gewendet. Bey allem dem ist die bloße Natur meine Lehrmeisterinn, ohne die geringste Anweisung, gewesen, es müsste denn seyn, dass ich anfangs 14. Tage lang auf dem Claviere unterrichtet worden.
Meine Bedienungen betreffend, so dirigirte ich schon in Hildesheim die Music in der Godehardiner Kirche, mit Genehmhaltung des dortigen luther. Superintend. Riemers. In Leipzig war ich Direct: Mus: u. Organist in der neuen Kirche, hierauf Capellmeister beym Grafen von Promnitz, ferner Concert- und hernach CapellMeister, wie auch Secretarius, in Eisenach, von da ging ich, als Capellmeister, nach Frankfurth am Mayn, wo ich zugleich die Verwaltung des Kayserl. Palais zum Frauenstein, mit welcher eine Rechnung über mehr als 100000 M. verknüpfet war, und wo mir von neuem die Capell-Meister-Stelle von Haus-aus aus Eisenach, nebst einer Besoldung, übergeben ward; endlich bin ich itzo Director Mus: in Hamburg, bin annoch in Eisenachischen Diensten, wie vorhin, wie auch Correspondent; alhier ward ich auch vor 4. Jahren Capell-Meister von Hausaus in Bayreuth, nebst einer Besoldung, welche zwar bey der itzigen Regierung weggefallen. Was ich in den Stylis der Music gethan, ist bekandt. Erst war es der Polnische, dem folgte der Französ., Kirchen- Cammer- und Opern-Styl u. was sich nach dem Italiänischen nennet, mit welchem ich denn itzo das mehreste zu thun habe.
Links
Baroque Composers and Musicians - Georg Philip Telemann
Telemann in Magdeburg
Hamburg
Leipzig