Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt
Der Philosoph des Engagements
Die Auflehnung gegen bestehende gesellschaftliche oder ideologische Normen bestimmte das Leben und Schreiben von Jean-Paul Sartre. Als "freier Geist" setzte er sich für die unbedingte individuelle Freiheit und Selbstverantwortung ein.
8. April 2017, 21:58
Radikaler Philosoph der Freiheit
Der Mensch sollte sich engagieren, um die von der Gesellschaft verschuldete Unmündigkeit abzustreifen. Jean-Paul Sartres Grundsatz lautete: "Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt; er ist nichts anderes als das, wozu er sich macht".
Der Mensch muss wählen
Sartres Forderung, sich ständig selbst zu entwerfen, ist eine Kampfansage an die Bequemlichkeit. Der Mensch wird aufgerufen, die eigene Existenzform zu wählen sie immer wieder zu überprüfen und auch zu verändern.
Diese Maxime bestimmte auch Sartres theoretisches Werk, wie Peter Kampits vom Philosophischen Institut der Universität Wien bemerkt.
Das Sein und das Nichts
Das Hauptwerk Sartres, das "Das Sein und das Nichts" gilt heute als eines der wichtigsten philosophischen Bücher des 20. Jahrhunderts.
Der österreichische Philosoph Thomas Macho bezeichnete es als "mitreißende und großartige Hymne an die Freiheit" und Bernard-Henri Lévy - der Autor einer vorzüglichen Sartre - Biografie sprach von einem "Karneval des Geistes".
Die Spaltung des Seins
Der Ausgangspunkt der Monumentalstudie ist die Spaltung des Seins in zwei grundsätzlich unterschiedene Seinweisen. In Anlehnung an Hegel spricht Sartre vom "An-sich-sein" und "Für-sich-sein".
Die Sphäre des An-sich entspricht der Dingwelt - der Welt der Felsen, Bäche, Steine - "Ungeschaffen, grundlos, ohne jede Beziehung zu einem anderen Sein".
Der Mensch löst sich nun von der amorphen Dingwelt des "An-sich" durch einen Akt der Verneinung. Der Mensch erkennt, dass er nicht der Dingwelt des "An-sich" angehört, sondern "für sich" ist.
Engagement für die Freiheit
Sartre gibt jedoch keine rationale Erklärung für die fundamentale Spaltung; er spricht vom Riss im Sein, der alles verändert, von einem unerklärlichen Auftauchen der Freiheit. Im Modus des "Für sich Seins" erhält der Mensch die Möglichkeit, sich zu seinem Leben zu verhalten; er ist aufgerufen, seine Existenzform zu wählen.
Das Engagement für die Freiheit bedeutet, dass der Mensch ständig an sich arbeiten muss; er kann sich nicht auf gesellschaftliche Konventionen oder auf ein soziales Rollenverhalten berufen. Die Hauptfrage ist - so der in Hamburg tätige Philosoph Martin Suhr - ob sich der Mensch entscheidet, ein wahres Selbst zu sein.
Orientiert man sich in seiner existenziellen Wahl am Vorbild gesellschaftlicher Konventionen, so droht das Erstarren in einer Haltung, die Sartre als "mauvaise foi", als "Unaufrichtigkeit" bezeichnet.
Der Existenzialismus
Die Gedanken, die Sartre in "Das Sein und das Nichts" thematisiert, bilden nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage für den so genannten Existenzialismus.
Er beruft sich auf Sartres Aussage, dass die Existenz der Essenz vorausgehe, dass der Mensch kein festgelegtes wesen habe, sondern aus Freiheit sein Wesen zu schaffen habe.
Abkehr vom Individualismus
Nach dem Zweiten Weltkrieg entfernte sich Sartre allmählich von seinem leidenschaftlichen Bekenntnis zur Freiheit des Individuums, das sich nur als Einzelner entwerfen kann. Immer stärker rückte das gesellschaftliche Ensemble ins Zentrum seiner philosophischen Reflexionen
Sartre verabschiedete sich von seiner existenzialistischen Phase, die er als "kleinbürgerlich" denunzierte. Er wandte sich zunehmend dem dogmatischen Marxismus stalinistischer Prägung zu. Die allmähliche Annäherung an marxistische Positionen führte zu politischen Einschätzungen, die heute zumindest die Einschätzung peinlich verdienen.
Den Schlusspunkt setzte Sartres Entdeckung des jüdischen Denkens, das ihn zur Brüderlichkeit und dem Prinzip Hoffnung ermunterte. Freiheit bedeutete für Sartre, sein eigenes Denken radikal in Frage zu stellen, auch wenn er Freunde und Weggefährten brüskierte.
Download-Tipp
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Buch-Tipp
Jean Paul Sartre, " Das Sein und das Nichts", Rowohlt , ISBN 3499133164
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