Von wütenden Frauen und ihren Büchern
Schreiben gegen die Ungerechtigkeit
Das traditionelle Leben in Nigeria begünstigt die Männer. Kein Wunder, dass Schriftstellerinnen seit gut 30 Jahren ihren Unmut in Romanen und Geschichten verarbeiten. Um den Frauen die Augen zu öffnen, um ihnen Alternativen zu zeigen, und auch, um die Männer wissen zu lassen, wie eine Frau denkt und was sie fühlt.
8. April 2017, 21:58
Eine der ersten, die es wagte, das System des Frauenkaufs anzuprangern, war Buchi Emecheta. In ihrem Roman "Zwanzig Säcke Muschelgeld" zeichnet sie den Weg einer jungen Frau nach, die mit ihrem Mann in Lagos lebt, ihren arbeitslos gewordenen Mann samt ihren acht Kindern erhält und letztendlich weder in der modernen Welt ankommen kann noch in die alte Welt zurückfindet. Buchi Emecheta hat Nigeria verlassen und lebt mittlerweile in England. Die Probleme, die sie in ihren Romanen schildert, hat sie in dieser oder ähnlicher Weise selbst erlebt: als ihr Mann das Manuskript ihres ersten Romans entdeckte, warf er es ins Feuer.
Eine Frau hat Rechte!
Auch der erste Roman von Sefi Atta "Sag allen, es wird gut" lebt von der Unvereinbarkeit des männlichen und des weiblichen Selbstverständnisses. Männer sagen, was Sache ist. Frauen haben zu gehorchen. Frauen, die sich widersetzen, werden bestraft - durch Missachtung. Verstoßung, Diskriminierung, Gefängnis. Was Sefi Attas Roman so spannend macht, ist die Nähe zum europäischen Denken. Weil ihre Hauptfigur, eine junge Anwältin, ihre Erfahrungen aus dem Studium in London in ihre alte Heimat mitnimmt. Weil sie versucht, für uns Europäerinnen normale, undiskutierbare Selbstverständlichkeiten auch in Nigeria zu leben – eine Frau hat das Recht auf Arbeit, eine Frau hat das Recht auf Bezahlung ihrer Arbeit, eine Frau hat das Recht auf Achtung und Respekt - weil sie darauf besteht, ein politisches Mitspracherecht zu haben.
Ob aber die Frauen Nigerias Zeit haben, diesen 2004 erschienenen Roman zu lesen, die Botschaft zu erkenne, danach zu handeln? Das Leben im längst nicht mehr prosperierenden Nigeria ist sehr schwierig geworden. Wie schwierig, davon erzählen die Geschichten der Toyin Adewale. Von der Gewalt liest man, und wie alltäglich und selbstverständlich sie geworden ist. Vom Hunger, von Bettelnden, von kleinen Dieben, von listigen Schmugglern, die beinahe unerschwingliche Lebensmittel an fordernden Händen halboffizieller Zöllner vorbeischwindeln.
Mut und eine ordentliche Portion Frechheit
Offensichtlich braucht man Mut und eine ordentliche Portion Frechheit, um in Nigeria überleben zu können - glaubt man dem Puzzle, das Toyin Adewale von ihrem Land zeichnet. Aber, und das macht die Geschichten lesenswert, immer ist da jemand, eine oder einer, der im entscheidenden Moment Hilfe spendet, ein gutes Wort hat oder auch nur ein Lächeln. Vielleicht sind diese Menschen der Grund, weshalb Toyin Adewale, geboren 1969 in Ibadan, sich entschlossen hat, nicht wie die meisten ihrer schreibenden KollegInnen ins Exil zu gehen, sondern in ihrer Heimat zu bleiben und dort zu leben und zu arbeiten und die vielfältigen Herausforderungen auf sich zu nehmen, die dort auf sie warten. Zum Beispiel, dass ihre jüngsten Werke aus dem Manuskript in andere Sprachen übersetzt werden, weil die Leser in ihrem eigenen Land immer weniger werden.
"Das liegt daran, dass die Menschen viel zu sehr mit dem Überleben beschäftigt sind", sagte sie in einem Interview im Jahr 2003. "Die Kulturschaffenden sind in eine Art Starre und Verzweiflung gefallen, klagen, dass die Politik nichts für die Kultur tut, aber welche Kultur hätte sich jemals auf Grund staatlicher Förderungen entwickelt? Wir müssen unsere Energien bündeln und auf ein neues Ziel ausrichten. Wir sollten engagierte Gruppen gründen, die ähnlich arbeiten wie Bürgerrechtsgruppen. Wir müssen Events schaffen, die Künste und Kultur und auch die Lese-Kultur wieder ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit rücken."
Vielseitig engagiert
Sie selbst hat damit schon angefangen. Sie gründete 1991 die "Women Writers of Nigeria", deren Vorsitzende sie lange war. Sie veröffentlichte zwei Anthologien junger nigerianischer AutorInnen. Sie organisiert ausgedehnte Lesereisen in Nigeria und überall sonst, wo man sie und ihre Geschichten (und ihre Lyrik) hören will: in Europa, den USA, Südafrika.
Übrigens: Die Frage, warum sie Schriftstellerin geworden ist, beantwortet sie ganz plausibel: "Weil Schreiben für mich ein Vergnügen ist!"
Service
Buchi Emecheta, "Zwanzig Säcke Muschelgeld", Unionsverlag
Sefi Atta, "Sag allen, es wird gut!", Peter Hammer Verlag
Toyin Adewale, "Flackernde Kerzen. Zwanzig Geschichten aus Nigeria", Schmetterling Verlag